Schlaflosigkeit verbindet

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Zwei Frauen begleiten wir in Tamar Noorts Roman, die durch ihre Schlaflosigkeit verbunden sind. Sina ist Lehrerin, Ehefrau und Mutter von zwei Kindern, seit Jahren ist sie von Schlaflosigkeit geplagt. Janis lernt sie im Schlaflabor kennen, die dort die Aufsicht hat. Die gelernte Krankenschwester lebt durch ihren Beruf den umgekehrten Tag-Nacht-Rhythmus, so dass ihre Schlafphasen auch nicht sehr ergiebig sind. Die beiden Frauen sind sehr unterschiedlich, spüren aber beide eine gewisse Anziehungskraft aus dem gemeinsamen Schlafproblem.
Schnell wird klar, dass bei Sina die Ursache der Schlaflosigkeit psychische Ursachen hat. Sie lebt in einem Hamsterrad aus Verpflichtungen, ihr Mann fordert für sich Freiräume, die er ihr und sie sich selber nicht zugesteht. Je mehr sie auf Unverständnis für ihr Problem stößt umso mehr zieht sie sich in sich selber zurück. Selbst die Freunde, Kollegin und Schulleitung, sind ihr nicht wirklich nah, sie schottet sich ab und vermeidet sogar den Kontakt zur bemühten Nachbarin. Man leidet mit Sina, wälzt sich mit ihr durch die Nacht, spürt förmlich ihre bis auf die Knochen gehende Müdigkeit. Noort versteht es gut, die Gefühle und die Ohnmacht wiederzugeben, die Sina verspürt.
Janis hingegen lebt alleine, hat sich in ihrem Beruf und der damit verbundenen gesellschaftlichen Isolation eingerichtet. Doch sie ist ebenfalls unglücklich, vermeidet genauso Kontakte zur Außenwelt. Egal ob ehemaliger Kollege oder freundliche Nachbarin, allen geht sie aus dem Weg. Schuldgefühle aus der Vergangenheit lassen sie sich immer weiter abkapseln, bis sie sich seltsam angezogen fühlt von ihrer Patientin Sina.
Als die beiden Frauen sich kennen lernen, entsteht etwas holpernd eine eher ungewollte Freundschaft. Durch den Einfluß der anderen wird beiden klar, dass sie etwas ändern müssen in ihrem Leben.
Mit leichtem Humor beschreibt Noort das Leben dieser beiden Frauen ernst aber gleichzeitig auch sehr unterhaltsam. Dabei werden gesellschaftskritische Themen angesprochen, ohne anklagend den Finger zu heben. Es geht um die Rolle der Frauen in der heutigen Zeit, die bei dem Versuch, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen noch immer deutlich mehr über ihre Grenzen gehen als die Männer. Es geht darum, auch mal genau zuzuhören, was dem anderen fehlt und keine oberflächlichen Ratschläge zu geben. Es geht um die Beziehung zwischen Müttern und Töchtern, die hier in beiden Fällen eine ganz besondere ist.
Manche Probleme werden nur angerissen und nicht vertieft, gerade über Janis Vergangenheit hätte ich gerne noch etwas mehr erfahren.
Gut gefällt mir das Ende, das relativ viel offen lässt für die Zukunft der beiden Frauen.
Dieser Roman hat mich sehr gut unterhalten und mich gleichzeitig auch zum Nachdenken angeregt. Das Thema Schlaf ist heute für viele Menschen problematisch, dadurch ist dieses Buch zugleich auch sehr aktuell.
Eine unbedingte Leseempfehlung vor allem für diejenigen, die nicht immer gut schlafen.