ES unleashed

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wolfgangb Avatar

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Was wäre, wenn du unsichtbar wärst?
Wenn deine Taten keine Konsequenzen hätten, weil man dich nicht erwischen könnte?
Was, wenn diese Macht dein Über-Ich außer Kraft setzen würde und du ohne moralische Einschränkungen alles tun könntest?

Der junge Froggy fühlt die süße Verlockung dieser Gedanken, als er wieder einmal von seinem Vater für seinen Ungehorsam verprügelt wird. Unerlaubterweise hat er nämlich ferngesehen und in den bewegten Bildern genau jenen Unsichtbaren erblickt, für den Gesetze nichts als nutzloser Zierrat sind.

Geschlagen, traumatisiert, mit Allmachtsphantasien ausgestattet, Ansätze eines Ödipuskomplexes.
Nicht sonderlich originell, dafür bestens bewährt sind diese Bausteine, aus denen der Autor Marc Raabe, der mit "Schnitt" ein atemberaubendes Thriller-Debut vorlegte, die Persönlichkeit eines psychopathischen Serienmörders bereihts im Prolog konstruiert.

Als nächstes gilt es dann, dem erprobten Rezept folgend, ein Idyll zu erzeugen, das der nach blut dürstende Wolf in Menschengestalt dann in einen Alptraum verwandeln wird. Dieses findet sich an der paradiesischen Côte d'Azur, wo eine Gruppe junger Menschen dem knallbuten Vergnügen frönend einige Tage Auszeit verbringt. Diese tragen Namen wie Greg, Laura und Jenny, die bewußt so gewählt sind, daß sie auch eine englische Aussprache zulassen und damit bewußt gedankliche Brücken zum Lebensgefühl amerikanischer Filme schlagen.

Ein literarisches Meisterwerk darf man sich bei dieser Ausgangssituation wohl nicht erwarten, dafür aber ganz gewiß das gedrückte Äquivalent zum Energydrink, mit dem Marc Raabe für erhöhten Puls bei seinen Lesern sorgen wird.

Let it roll!