Schockierend?

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Marc Raabe hat den großen Schnitt gemacht – mit der Schnitt. Und dann? Dann kam jetzt „Der Schock“ ... Noch ein Thriller. Noch ein Bestseller? Wenn man den ersten Bewertungen nach den Leseproben glaubt, dann sicher.

Auch mein erster Eindruck war sehr gut. Der Schock hat mich auf den ersten Seiten gefesselt. Ein Grund: Die starken Figuren. Da ist Jan, kein glatter Held, sondern einer, der gescheitert ist. Er hat seinen Job aufgegeben, um in der Firma seines kranken Vaters auszuhelfen. Doch dann hat der Vater die Firma verkauft – und den Sohn bei der Gelegenheit gleich raus geschmissen. Und auch sonst steht Jan nicht gerade auf der Sonnenseite, ist mit einem Feuermal gezeichnet, ist solo.

Mit seiner Schwester Katy und deren neuem Freund Greg will er im Familien-Ferienhaus in Frankreich Urlaub machen. Katy bringt eine alte Bekannte mit, Laura ..., ausgerechnet die Laura, in die Jan schon zu Schulzeiten verschossen war ...

Jetzt greift Raabe ein wenig in die Klischee-Kiste: Auch Jan gefiel Laura schon früher, die beiden kommen zusammen.

Dann ist da ein weiterer Charakter mit Brüchen: Froggy, ein Junge mit brutalem Vater, ein Junge, der sich am liebsten unsichtbar machen will.

Doch schnell wird klar: Dieser Froggy ist kein interessanter Charakter, er ist ein Frauenmörder, der seine Opfer ausbluten lässt und die bleichen Leichen in Harz gießt. Er schnappt sich auch Laura, doch Laura kann entkommen.

Damit ist die Sache jedoch nicht ausgestanden. Raabe nimmt nicht das typische Muster: Opfer bleibt die ganze Zeit beim Täte, der Held kann das Opfer erst am Ende befreien. Nein, Froggy ermordet Jans Nachbarin, setzt die Leiche in Jans Tiefkühltruhe. Da der Freund der Nachbarin sie sucht und die Polizei mitbringt, flieht Jan – und gerät selber unter Mordverdacht.

Er stößt auf einige weitere (schockierende) Überraschungen: Laura hat offenbar Jahre als Obdachlose auf der Straße gelebt, Lauras Mutter sitzt im Rollstuhl und scheint an ihrer Tochter nicht mehr interessiert (obwohl die Mutter geistig klar ist).

Vielleser von Krimis und Thrillern kennen so einiges. Rabbe weicht aber insgesamt immer wieder von den bekannten Mustern ab. Bei ihm spielen Kommissare, Detektive, Pathologen oder Anwälte keine Rolle, Jan steht im Zentrum, es gibt aber auch Handlungsstränge, in denen man an Lauras oder Froggys Seite ist. In Rückblenden erfährt man nach und nach mehr über die Figuren. Die Puzzlesteine, die dabei aufgedeckt werden, fügen sich aber erst am Ende zu einem (überraschenden) ganzen zusammen.

Der Roman lässt sich außerordentlich flüssig lesen. Ich habe ihn in knapp zwei Tagen durch gehabt. Und das ist nach vielen eher zäheren Geschichten, mit denen ich es zuletzt zu tun hatte, ein wirklich guter Wert. Ich empfehle „Der Schock“ von Marc Raabe und vergebe die vollen fünf Sterne.

Einige Fußnoten noch zu ein paar anderen Kriterien für ein gutes Buch:
Die Leserschaft/Zielgruppe sind meiner Meinung nach Leute, die spannende Romane/Thriller mögen.
Die Ausgabe ist okay, das Cover des Taschenbuchs allerdings recht dünn. Ich habe „Der Schock“ vorsichtig (und wie schon gesagt in kürzester Zeit) gelesen. Trotzdem gab es – für mich ungewöhnlich – eine „Dülle“ im Buchrücken. Das ist schade!