Daraus hätte man mehr machen können

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clara_fall Avatar

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Nach einem tragischen Ereignis müssen die Schwestern Silke und Rosemarie den Bauernhof fluchtartig verlassen, auf dem sie als Heimatvertriebene für einen Hungerlohn arbeiten mussten. Auf ihrer erneuten Flucht lernen sie den Schwarzmarkthändler Egon Tönnes kennen, der sie nach Hamburg mitnimmt, wo sie sich größere Chancen erhoffen, wieder ein sicheres Leben führen zu können. Auf diesem Weg werden sie mit Hans bekannt gemacht, ein körperlich eingeschränkter Friseur mit Kontakten zu allen Kreisen der zerstörten Hansestadt.
Anfangs wirken Silke und Rosemarie tough und sie haben mich für dieses Buch begeistert. Doch allmählich wirken ihre Entscheidungen naiv und kurzsichtig. Zwar belehrt Rosemarie Hans frühzeitig über seinen Umgang mit Frauen - ihr Wortlaut: "Achten Sie bei Damen weniger auf die Haare, sondern mehr auf das, was sich darunter verbirgt. Sie werden überrascht sein." Doch gerade das ist es, was den beiden Frauen unter ihren Haaren fehlt - der tiefere Blick für Menschen und das Geschehen um sie herum. Der einen fällt erst viel zu spät auf, dass sie sich mit dem Falschen verlobt hat und übersieht den wirklich wertvollen Menschen an ihrer Seite. Und bei der anderen spielt sich trotz viel gepriesener Erfahrung Ähnliches ab. Immer wieder sind es andere, die sie vor gefährlichen Situationen oder dem Verlust der Lebensumstände retten. Nichts gelingt ihnen aus eigener Kraft und dann entwickelt sich doch noch alles recht schnell - o Wunder! - zu einem grandiosen Happy End.
Dieses Buch hat mich schwer enttäuscht. Was hätte man alles daraus machen können. Waren es doch gerade die Frauen, die mit ihrem eigenen Verstand und ihren eigenen Händen die Leiden des Krieges aufgefangen und in eine lebenswertere Richtung gelenkt haben. Vielen Autoren ist es bereits gelungen, diesen Frauen ein Gesicht zu geben, aber mit dieser Geschichte ist das meiner Meinung nach nicht gut gelungen. Eigentlich verhöhnt sie die Frauen dieser Zeit, die es mal wieder nur mit der Hilfe des stärkeren Geschlechts schaffen, die Karre aus dem Dreck zu ziehen. Einige wenige historische Hintergründe werden nur kurz angerissen und nicht näher beleuchtet. So hätte es mich z.B. interessiert, ob es wirklich dieses Umerziehungslager in der Uckermark gegeben hat.
Daraus hätte man mehr machen können. Das Cover zeigt um so besser, wohin die Geschichte dieses Buch führt.