Aber nur Männer führen Krieg

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owenmeany Avatar

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Homers Odyssee ist so ins allgemeine Bewusstsein der Menschheit übergegangen mit all ihren Motiven und Episoden, dass sie immer wieder Schriftsteller zu Adaptionen anregte. Dabei ist z.B. der Ulysses von James Joyce ein harter Brocken, es ist also legitim, leichter verdauliche Kost für Kinder zu kreieren, denn die Geschichte an sich ist über die Maßen spannend.

Das Buch von Annika Thor ist nicht das erste in einer langen Reihe, in der auch renommierte Namen wie Franz Fühmann und Dimiter Inkiow vorkommen. Neu ist hier die Perspektive aus Telemachs Sicht, die speziell jugendliche Leser zur Identifikation einlädt, und der besondere Blick auf die Rolle der Frauen.

Als bibliophile Kostbarkeit liegt der Band in den Händen, kongenial illustriert von Ishtar Bäcklund Dakhil. Die filigranen zeichnerischen Meisterwerke erwecken eine Vorstellung von antikem Dekor und heben durch eine ungewöhnliche Fokussierung Wichtiges hervor.

Ein dramaturgisch geschickter Schachzug ist es, Odysseus' Abenteuer in Träume der Agierenden zu verpacken oder berichten zu lassen von Augenzeugen. Damit vermeidet Thor eine schlichte Nacherzählung des Epos und setzt inhaltliche Schwerpunkte, die sie geschickt mit der Rahmenhandlung verknüpft. Wie in einem Gobelin verwebt sie die Episoden des Seefahrers mit den aktuellen Erlebnissen Telemachs vor Ort.

Die Erfahrungen, die Telemach mit Gleichaltrigen macht, sind zeitlos und psychologisch nachvollziehbar, die jungen Leser können sich hineinversetzen. In all seiner nicht verhehlten Schwäche und Unzulänglichkeit weckt die Hauptfigur Sympathie, und der Reifungsprozess über die Jahrzehnte leuchtet ein.

Wenn mich auch diverse Druckfehler ganz besonders in einem Jugendbuch stören, möchte ich in der Hoffnung, dass diese in einer Neuauflage korrigiert werden, dieses wertvolle Jugendbuch Personen jeden Alters wärmstens empfehlen.