1030km nach Berlin

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sursulapitschi Avatar

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Eintausenddreissig Kilometer sind es vom Oslofjord bis nach Berlin, der Stadt der Träume für Martha, die junge Sozialarbeiterin. Unüberbrückbar weit.
So weit entfernt wie die notwendige Augenoperation für Else, die Frau von Simon Kefas, die sich dieser von seinem Gehalt als Hauptkommissar der Kriminalpolizei niemals leisten kann.
Ein heißer Sommer liegt über Oslo, aber die Stimmung der Protagonisten im neuesten Kriminalroman von Jo Nesbø gleicht der verlassenen Kälte norwegischer Winterabende.

Im Hochsicherheitsgefängnis Staten vegetiert Sonny Lofthus – abhängig vom Heroin, das über dunkle Wege in das Gefängnis kommt. Das Geständnis von Ab Lofthust kurz vor seinem Selbstmord hat sein Leben zerstört – er ist „der Sohn“ dieses scheinbar korrupten Polizisten. Doch die Beichte eines Mithäftlings ändert seine Perspektive – und er beginnt einen grausamen Rachefeldzug.

Schuld und Vergebung sind die Themen, die das Geschehen des Romans begleiten, genauso wie das Scheitern im Leben und die Selbstzerstörung durch die Sucht. Hoffnung gibt es genauso wenig für die Drogenabhängigen im Kuba-Park, wie für die korrumpierten Beamten, die sich im Netz des Zwillings, des Herrn über Drogenhandel und Rotlichtmilieu in Oslo, verfangen haben.

Jo Nesbø zeichnet seine Charaktere – die großen wie die kleinen – mit feinem Strich und lässt sie dem Leser nahekommen. Nur „der Sohn“ selbst bleibt schwer zu fassen – ist er ein Monster oder ein Heiliger? In der ersten Hälfte des Buches spinnt der Autor geschickt seine Handlungsfäden – und beginnt dann das Tempo zu verschärfen. Ab Seite 300 spätestens möchte man das Buch nicht mehr aus der Hand legen.
„Der Sohn“ ist ein Kriminalroman, der auch Lesern zusagen wird, die vom klassischen Einmaleins der Kriminalromane von der Stange inzwischen gelangweilt sind. Die im Klappentext angekündigte Grausamkeit hält sich in Grenzen, das hat der Roman auch nicht nötig (genauso wenig wie die ab und zu anklingenden übernatürlichen Reminiszenzen). Stimmungsaufhellend ist er allerdings nicht. Trotzdem eine klare Empfehlung: Sollte man lesen!
Und ein Tipp für diejenigen, die es genauso wenig kennen wie ich: Snus ist eine Art Kautabak!