Solider Krimi über den Mann ohne Eigenschaften

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egan80 Avatar

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In Jan Seghers “Der Solist” betritt ein neuer Protagonist die Bühne: der Frankfurter Neuhaus ist Ermittler des BKA, und agiert dort als namensgebender Solist; er arbeitet allein, ist direkt dem Präsidenten des BKA zugeordnet, und auch nur ihm Rechenschaft schuldig.

Im September 2017 wird Neuhaus zur neu gegründeten Berliner "Sondereinheit Terrorabwehr" abgeordnet. Die Stadt ist immer noch aufgewühlt, zu frisch ist noch die Erinnerung an den Terroranschlag Anis Amris auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Just in diese Stimmung hinein beginnt eine Mordserie, der zunächst ein bekannter jüdischer Aktivist, dann eine prominente muslimische Anwältin zum Opfer fallen. An beiden Tatorten finden sich Bekennerschreiben, die einen islamistischen Hintergrund nahelegen.
Unterstützt von der Deutschtürkin Grabowski beginnt Neuhaus zu ermitteln, und verstrickt sich schon nach kurzer Zeit in den Besonderheiten und ungeschriebenen Gesetzen der Berliner Milieus.

Mit “Der Solist” eröffnet Jan Seghers eine neue Krimireihe. Normalerweise bietet das Autoren die Möglichkeit zum tabula rasa; weg mit den alten Zöpfen!

Hier aber verstreicht diese Freiheit seltsam ungenutzt. Wir erfahren recht wenig von diesem Neuhaus (auch nicht seinen Vornamen, egal). Er hat eine Mutter mit verwegener Vergangenheit (die dann in der Handlung keine Rolle mehr spielt). Er hat vielleicht Familie (die dann in der Handlung keine Rolle mehr spielt). Er war verheiratet, und er mag Musik. Das war’s.

Ähnlich unmotiviert wirkt die Handlung des Romans, die nie wirklich Fahrt aufnimmt. Dinge passieren einfach, ohne dass den Ereignissen eine besondere Aufmerksamkeit oder Funktion gegönnt wird. Personen werden eingeführt, spielen dann aber keine weitere Rolle in der Handlung mehr. Oder auch: wie Deus Ex Machina tauchen plötzlich neue Personen auf, die zufällig vor Ort sind, und genau die jetzt benötigten Fähigkeiten mitbringen. Die Antagonisten verüben Handlungen von erheblicher Komplexität, sind aber selbst ausgesprochen banal und eindimensional. Der Mörder taucht praktisch nicht auf. Die Opfer sind nur insofern relevant, dass sie tot sind - ansonsten haben sie keinerlei Tiefe.

Was also bleibt? Wer einen halbwegs soliden Krimi sucht, den man abends im Bett oder morgens auf dem Weg zur Arbeit ohne Probleme runterlesen kann, macht hier sicher nichts verkehrt. Wer allerdings auch von einem Krimi eine gewisse Tiefe oder solide Charakterentwicklung erwartet, findet sich hier eher nicht wieder.