Backen ist Liebe

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Mrs. Quinn, die Titelheldin des Romans, ist eine Dame Ende siebzig, die sich mit ihrem wenige Jahre älteren Mann Bernard für den gemeinsamen Ruhestand in einem kleinen, beschaulichen Dorf an der englischen Küste niedergelassen hat. Die beiden sind seit knapp sechs Jahrzehnten verheiratet, führen eine harmonische, liebevolle Ehe und ein ruhiges Leben mit festen Gewohnheiten und Routinen.

Zu ihrer kleinen Welt gehören Bernards Nichte Rose, deren Mann Jeremy und die Kinder Max, ein Teenager, und seine jüngere Schwester Poppy - die Ehe der Quinns selbst ist kinderlos geblieben.

Bernard - während seines Berufslebens Tischler - zieht sich gerne in seine gut ausgestattete Werkstatt zurück, in der er die Tischlerei weiterhin als Hobby betreibt.
Jennifer, seine Frau, hingegen bäckt mit Leidenschaft und Hingabe die leckersten Kuchen und Torten. Das hat sie ihr ganzes Leben lang getan, seit sie als Kind die Freude daran von ihrer leider jung verstorbenen Mutter übernommen hat.

Dieser frühe Verlust und die Nähe, die sie zu ihrer Mutter beim gemeinsamenBacken gefühlt hat, führen dazu, dass die Herstellung von Gebäck und Kuchen für sie sehr eng mit Erinnerungen an geliebte Menschen, aber auch an besondere Ereignisse, verbunden ist.

Sie betreibt ihr Hobby mit großer Leidenschaft, Hingabe, Können und Erfahrung für den Umgang mit den Zutaten und ihrer Zubereitung.
Jennifer ist eine ruhige, ausgeglichene Frau, die sehr viel nachdenkt, während sie sich in ihrer kleinen altmodischen Küche ihrem Hobby widmet - und insbesondere in diesen Wochen vor Weihnachten, in denen die Geschichte beginnt, macht sie sich große Sorgen um ihren kränkelnden Mann, über das Älterwerden an sich und auch die Frage, wer von beiden wohl den anderen überlebt und wie das Leben dann aussehen wird.

Gleichzeitig hat sie das Gefühl, ihr Leben noch nicht ausreichend gelebt zu haben, sie hat den Wunsch, dass etwas von ihr bleibt - sie wünscht sich eine Anregung, eine Herausforderung, während ihr Mann zufrieden ist mit dem Dahinplätschern der Tage („Außerdem sind wir mittlerweile mehr als glücklich mit einer Zeitung in der Hand und Hausschuhen an den Füßen").

Das ist die Situation, in der wir Jennifer kennenlernen, die passend zu ihrem Hobby regelmäßig die Fernsehsendung „Das Backduell - Backen auf der Insel“ verfolgt. Als dort dazu aufgerufen wird, sich für die Sendung im kommenden Jahr zu bewerben, passiert etwas mit ihr.

Sie bewirbt sich heimlich – und was daraufhin in ihrem Leben in Bewegung kommt ist auf mehreren Ebenen sehr spannend zu lesen.

Der Autorin ist es sehr gut gelungen, die Atmosphäre dieses ruhigen Lebens, das zunehmend an Fahrt aufnimmt, zu beschreiben und insbesondere die Liebe der Hauptfigur zu ihrem Hobby.
Dazu passt auch das Cover hervorragend – die Fotografie einer wunderschön dekorierten Schokoladentorte – zum Reinbeißen lecker.

Jedes Kapitel ist mit dem Namen einer Speise überschrieben, die dann in der Handlung eine Rolle spielt und auch zubereitet wird. Das wird so liebevoll beschrieben, dass ich oft das Gefühl hatte, den Geschmack und den Duft der Zutaten real wahrzunehmen. Es sind wirklich Köstlichkeiten, bei deren Herstellung die Leserin(der Leser) Jennifer über die Schulter schaut. Nur ein einfaches Brot kriegt sie einfach nicht hin …

Mit diesen Leckereien sind auch immer Geschehnisse in Jennifers Vergangenheit verbunden, an die sie sich erinnert. Die Erinnerungen leiten - in kursiver Schrift - das jeweilige Kapitel ein und dabei kommt man auch ihrem Lebensgeheimnis immer mehr auf die Spur.

Der Schreibstil ist flüssig, man gleitet nur so durch die Seiten, die Figuren sind durchweg sympathisch – mit kleinen Einschränkungen – und der Leser bekommt durch die Einblicke in Jennifers Gedankenwelt immer wieder auch Anstöße sich mit den Themen des Buches, die über das Backen selbst hinaus gehen, wie das Älterwerden, den Wert einer langjährigen Beziehung, den Verlust von Menschen, die im eigenen Leben Bedeutung haben, aber auch die Möglichkeiten, etwas Neues zu wagen, auseinanderzusetzen.

Das Buch vereinbart so vieles in sich – es spricht Sinne, Gefühle und Gedanken an – und das auf eine ruhige unaufgeregte Art.
Einen kleinen Kritikpunkt gibt es allerdings: Jennifers Lebensgeheimnis löst sich ein bisschen zu leicht auf - dieser Teil der Geschichte ist ziemlich unrealistisch, passt aber zu dem Charakter des Buches, das ich als Wohlfühlbuch mit durchaus vorhandenem - aber nicht sehr hohem - Anspruch und Tiefgang bezeichnen würde.

Ich habe das Lesen dieses Romans sehr genossen und kann den Roman auf jeden Fall weiterempfehlen!