Das gefährliche Leben eines Doppelagenten

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oberaffengeil Avatar

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In der Welt der Geheimdienste mit all ihrer Spionage und undurchsichtigen Hierarchien ist wohl keine Figur so mysteriös und faszinierend wie der Doppelagent. Jemand, der unter Gefahr für sein Leib und Leben sein eigenes Land verrät und übertritt um einer eigenen und individuellen Moral zu dienen, kann nur eine spannende Persönlichkeit sein.

In einem Mix aus Biographie, Untersuchung der Geschichte des Kalten Krieges und Beleuchtung des Alltags von Geheimdienstmitarbeitenden allgemein, betrachtet Macintyre das Leben von Oleg Gordijewski, einem Mann, der in eine KGB-treue Familie hineingeboren wurde und zunächst selbst eine Karriere im russischen Geheimdienst anstrebt. Schnell ist er desillusioniert vom Sowjetregime und der Propaganda, die es seinen Bürgern auftischt, und lernt gleichzeitig durch Auslandseinsätze in der russischen Botschaft in Dänemark ein freieres Leben mit Zugang zu nicht verbotener und unzensierter Kunst und Kultur kennen, in das er sich verliebt. Überzeugt von einer Moral, die sich mit der seines Regimes widerspricht, lässt er sich bald vom MI6 anwerben. Von nun an führt er ein gefährliches und einsames Leben, den trotz hoher Anerkennung auf britischer Seite und glücklichem Familienleben, muss er seine Identität auch vor seiner  engsten Familie geheimhalten.

Das Buch ist über größte Strecken, vor allem aber im letzten Drittel, mitreißend und fesselnd, bisweilen auch lustig. Es beleuchtet sehr gut die Gefahr, in der Gordijewski nach der Aufnahme seiner Tätigkeiten für das MI6 schwebte, sollte er Misstrauen wecken oder auffliegen. Auch zeigt es insbesondere, wie fragil die Weltlage durch Paranoia, Propaganda, Fehlinformation und von Vorurteilen geblendete Politik war, und wie wichtig Deeskalation von Konflikten ist. Bei dieser können Geheimdienste sowohl hilfreich als auch hinderlich sein, da auch sie aus vorurteilbehafteten Menschen mit Eigeninteressen bestehen.

Obwohl es ein Sachbuch ist, war es bisweilen spannend wie ein Thriller, sehr informativ ohne trocken zu sein. Es hat für mich, als jemand, die zum Ende des Kalten Krieges geboren wurde und Vorkenntnisse nur aus zweiter Hand oder dem Geschichtsunterricht hat, die historische Phase gut erklärt ohne zu viel vorrauszusetzen und kann, denke ich gut, von jedem mit mittlerem Allgemeinwissen über den Kalten Krieg oder Interesse an Geschichte gut gelesen werden.