Ein Roman wie ein Wimmelbild

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petris Avatar

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Auf dem Cover sieht einem das Portrait einer jungen, nachdenklichen Frau entgegen, gemalt in Grüntönen. Schön sieht es aus, elegant und einladend im typischen Diogenes-Stil. Die Autorin sagte mir nichts, der Titel ist kurz und prägnant, könnte aber zu vielen Geschichten passen.

Doch gleich auf der ersten Seite geht es um diesen Sprung, wie er sich anfühlt, was in der Springerin vorgeht. Gefesselt liest man mit, hofft, dass es nur eine Wunschvorstellung ist oder dass irgendetwas ihren Fall bremst und sie rettet. Nur das erfährt man hier noch nicht.

Und dann geht es los, episodenhaft werfen wir Leser*innen einen Blick in die Leben ganz vieler verschiedener Menschen. Da ist der Polizist Felix im Café von Roswitha, Maren, deren Beziehung sich anders entwickelt hat, als sie es erhofft hatte und deren Partner Hannes immer kälter und zwanghafter wird, Henry, der Obdachlose, der sich bemüht, Struktur in seinem Leben zu behalten, Finn, der Fahrradbote, der eigentlich auf große Reise gehen möchte, doch seit er die Gärtnerin Manu kennengelernt hat, sich gar nicht mehr so unwohl fühlt in dieser Stadt. Sie, und noch einige mehr, bilden den Mikrokosmos dieses Romans, am Anfang muss man manchmal zurückblättern, um zu schauen, wer wer ist oder ob vielleicht wieder ein neuer Charakter auftritt, das hat was von Detektivspielen. Ich mag das nicht ungern.
Mit der Zeit verweben sich die einzelnen Geschichten immer mehr, berühren sich, hängen zusammen. Im Mittelpunkt steht eine junge Frau, alleine auf einem Dach. Will sie sterben? Was macht sie auf dem Dach? Erzählt wird ein Zeitraum von 3 Tagen, der Tag vor dem Drama, der Tag des Beginns des Dramas und der Tag danach. Am Ende hat sich für alle von ihnen etwas geändert, nicht in diesem Esoterik- oder Kitschromansinn eines Happy Endes für alle, aber eine Verschiebung, Bewegung weg vom Stillstand, und in Wirklichkeit hört der Roman genau hier auf und lässt offen, wohin die Veränderungen führen.

Ich habe „Der Sprung“ verschlungen, mochte die vielen Charaktere, fand die Dramaturgie unglaublich spannend und auch wenn die Zusammenhänge natürlich schon sehr konstruiert sind, ging die Idee auf und erschien mir schlüssig und gut gemacht. Manche Szenen hatten fast etwas von einem Wimmelbild, z.B. im kleinen Laden, in dem die meisten Figuren einmal am Rande vorkommen.