Konfrontation mit dem Leben

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bobbi Avatar

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Die junge Gärtnerin Manu steht an der Dachkante eines Wohnhauses mit Blick in den Abgrund - sie wirft wütend Ziegelsteine auf die Straße und für die gaffende Menschenmenge am Boden steht fest, dass sie es mit einer verrückten Selbstmörderin zu tun haben. Doch was treibt Manu wirklich an auf dem Dach, will sie wirklich in den Tod springen? Eins ist klar: sie ist da oben eine Störerin und mit ihrem Verhalten samt dem Großaufgebot an Polizei konfrontiert sie Menschen mit ihrem eigenen Schmerz, Dämonen, Abgründen, Hoffnungen und Verzweiflungen und bringt für einen Tag und eine Nacht einen großen Stein ins Rollen.
Rund elf Menschen kommen in Simone Lapperts "Der Sprung" mit ihren Biografien aus dem Keller ans Tageslicht und alle Leben sind Schritt für Schritt im Buch miteinander verwoben, so dass sich ein Panoptikum an menschlichen Lebenswegen und ein feines Kleinstadtporträt ergibt.
Für mich hätte der eine oder andere Charakter weniger und dafür mehr Tiefgang bei den verbliebenen noch mehr Feingefühl in den Roman gebracht. Doch Simone Lappert schreibt wunderschön poetisch, unaufdringlich, sinnlich und mit viel Gefühl für Sprache und Tempo, so dass es eine Freude war, den Menschen bei ihren Ausbrüchen von Lebenslust, Traumata, Verrücktheiten und Schmerz zuzuschauen. Fast könnte man denken, dass auch all die anderen Figuren Gründe hätten, aufs Dach zu steigen. Auch das Wechseln der Perspektiven gelingt der Autorin famos und am Ende entsteht ein komplexes Ganzes, das zu mehr Miteinander aufruft - samt unserer "Verrücktheiten".
„(...) also wenn du mich fragst, so gesamthaft gesehen, ist das Nichtverrücktsein die eigentliche Anomalie.“