Springen um zu bleiben

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marapaya Avatar

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Es soll ja Leser geben, die tatsächlich erstmal hinten auf der letzten Seite nach dem Ende des Buches schmulen, bevor sie mit der eigentlichen Lektüre beginnen. Ich komme nur manchmal mitten im Buch in Versuchung und kann dennoch meistens widerstehen, um mich nicht um das Vergnügen der Überraschung zu bringen. Simone Lapperts Roman „Der Sprung“ nimmt vermeintliches Ende bereits im Titel vorweg und bekräftigt die Tatsache gleich im ersten Satz auf der ersten Seite. Es ist ernst, in diesem Buch springt jemand vom Dach. Das bekomme ich beim Lesen einfach nicht aus dem Kopf und bange um Manu, die im kleinen Städtchen Thalbach bei Freiburg auf dem Dach steht und keiner weiß warum. Finn, ihr Freund, fällt aus allen Wolken. Felix, der Polizist, ist ratlos und hält plötzlich dem Druck nicht mehr Stand. Theres und Werners kleiner Laden platzt plötzlich aus allen Nähten wegen der durstigen und hungrigen Schaulustigen. Maren darf nicht in ihre Wohnung, weil Manu über der auf dem Dach steht, und fährt kurzerhand mit dem schmucken Jaris nach Paris. Astrid, Manus große Schwester, ist besorgt, ob sie der Skandal um die politische Laufbahn bringen wird. Henry findet einen schicken Filzhut und Lukas ein Fahrrad im Gebüsch. Kurzum Thalbach steht Kopf und Manu auf dem Dach.
„Der Sprung“ rüttelt mich auf, fordert meine Lesegewohnheit heraus und begeistert mich restlos. Mühelos bringt Simone Lappert den bunt gewürfelten Haufen ihrer Stadtbewohner in eine Komposition, die nachdenklich macht, berührt, aufwühlt und unterhält, und dabei hundertprozentig authentisch auf mich wirkt. Ihr Erzählstil ist einfühlsam und an den passenden Stellen geradezu poetisch. Sie ist ganz dicht dran an ihren Figuren, das gefällt mir sehr. Gleichzeitig erfasst sie die Gesellschaft unserer Zeit in ihrer gesamten Schnelllebigkeit, Widersprüchlichkeit und Ratlosigkeit auf diesen vergleichsweise wenigen Seiten. Ein gutes Buch mit Tiefenwirkung.