Sprung-Brett zum Buchpreis? ;)

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laberlili Avatar

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Ein kurioses Faktum, das mir auffiel, als ich nun eine Handvoll Interviews mit Simone Lappert nachverfolgt habe: Jedes Mal tat der Interviewende eingangs kund, dass er das Gespräch natürlich auch auf den Onkel Rolf Lappert, schweizerischer Buchpreisträger, bringen wolle – tatsächlich getan hat es dann aber niemand (sofern die entsprechenden Stellen vor der jeweiligen Veröffentlichung nicht einfach herausgenommen worden sind, im Gegensatz zu der Erwähnung des bereits berühmten Verwandten).

Ein Name, der in „Der Sprung“ zumindest eingangs unerwähnt bleibt, ist der jener Frau, mit deren Sprung von einem Dach der Roman beginnt – ebenso unklar bleibt bis nahezu zum Schluss, wie sie auf jenes Dach gelangt ist, was sie zum Springen bewogen hat und auch, ob sie stirbt, ob sie überlebt… Dafür werden recht viele zusätzliche Figuren eingeführt, die irgendwie mit der Unbekannten auf dem Dach oder mit dem „Tatort“ zu tun haben, mal direkt, mal indirekt und es wird von all diesen Leuten berichtet, was sie eigentlich am Tag vor dem Besteigen des Dachs und eben an exakt jenem Tag, an dem die dem Leser zunächst unbekannt bleibende Frau hinaufgestiegen ist, getan haben; zudem erfährt man später auch noch etwas über den Tag danach.
Das Ganze spielt sich im Übrigen in einer nicht weiter benannten Kleinstadt nahe (des deutschen) Freiburgs ab, wobei ich es ein wenig schade fand, dass die Geschichte nicht innert der Schweiz angesiedelt war; insgesamt wird hier aber eine ziemliche Bandbreite typischen Kleinstadtlebens dargestellt, ein Panoptikum des Alltags, der definitiv nur selten „Friede, Freude, Eierkuchen“ ist – ich fand es absolut authentisch und auch völlig „ausreichend“: ich habe nie das Gefühl gehabt, mir die Vorgeschichte einer Figur nicht vorstellen zu können und ich hatte auch nicht das Bedürfnis, dass ich von den Figuren wissen wollte, wie es ihnen wohl eine Woche nach dem wortwörtlichen Sprung erginge; nicht, dass sie mich genervt hätten, aber für mich war die Erzählung so einfach rund und richtig gut gemacht, grad auch aufgrund der teils unsichtbaren Fäden, die zwischen den einzelnen Figuren und Schauplätzen gesponnen wurden.

Die Geschichte war grundsätzlich nun eher leicht zu verstehen; ich habe dennoch einige Tage mehr als üblich mit dem Lesen verbracht, weil ich zwischen den Szenen bzw. Figurenwechseln gerne eine kurze Pause eingelegt habe, um die einzelnen Charaktere quasi auf mich einwirken zu lassen und mich in den zuvor erwähnten Fäden nicht zu verheddern: Es sind halt doch relativ viele Figuren, die man als Leser hier kurzzeitig begleitet; da gibt es dann sehr viele Infos auf vielen Seiten, diverse Zwischentöne; und am Stück gelesen, hätte ich letztlich wohl weder gewusst, wer wer ist und wo überhaupt vorne und wo hinten ist.

Insgesamt hat mir „Der Sprung“ aber doch sehr gut gefallen und ich bin nicht überrascht, dass nach einst ihrem Onkel nun auch Simone Lappert, für exakt diesen Roman, für den Schweizer Buchpreis nominiert ist – da überrascht es mich in jener Hinsicht viel mehr, dass Tom Zürchers „Mobbing Dick“ es nicht auf die Liste der Nominierten geschafft hat, was ich gleichauf mit „Der Sprung“ gesehen habe: Beides für mich 4,7*-Lektüren (und für mich beides heiße Kandidaten für den Schweizer Buchpreis 2019 gewesen), aufgerundet ergeben sich also derer fünfe.