Warum steht sie da oben?

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
nabura Avatar

Von

Felix ist Polizist in Thalbach und verhält sich nach Ansicht seiner schwangeren Freundin Monique in letzter Zeit seltsam. Statt Zeit mit ihr zu verbringen zieht er sich zurück und baut funktionierende Elektrogeräte heimlich auseinander und wieder zusammen. Maren ist in ihrer Beziehung mit Hannes zunehmend unglücklich, denn nach zwölf gemeinsamen Jahren ist er durch seinen neuen Fitness- und Gesundheitswahn wie ausgetauscht. Und Finn ist fasziniert von seiner neuen Freundin Manu, die so anders ist als alle anderen, über die er aber kaum etwas weiß. Als er sich auf einer Kurierfahrt durch einen Menschenauflauf aus Polizei und Schaulustigen drängen muss stellt er erschrocken fest, dass er die Person kennt, die oben auf dem Dach steht und Ziegelsteine wirft.

Zu Beginn des Buches lernt man eine Vielzahl an Menschen kennen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Mit jedem von ihnen verbringt der Leser nur wenige Seiten, doch der Autorin gelingt es schnell, bei mir den Wunsch zu wecken, mehr zu über sie erfahren. Da ist zum Beispiel noch Theres, die mit ihrem Mann Werner einen kleinen Laden betreibt, der immer schlechter läuft. Egon hat sein Hutgeschäft schon aufgeben müssen und arbeitet jetzt in einer Schlachterei. Und Henry ist obdachlos und verdient sich ein paar Münzen, indem er Sinnfragen in der Innenstadt verkauft.

Der Schreibstil ist sehr einfühlsam, wodurch ich mich den Charakteren schnell nah fühlte. Ich entwickelte ein aufrichtiges Interesse für ihr Schicksal. Einige sind sympathischer als andere, doch mit der Zeit begann ich zu verstehen, was sie antreibt und zu ihren Entscheidungen bringt.

Ein Rätsel bleibt jedoch die Frau auf dem Dach. Warum steht sie dort oben? Die Polizei ist schnell da und bringt die ganze Kavallerie mit, Schaulustige versammeln sich. Aber verängstigt sie das nicht mehr, als dass es hilft? Diese Frage stellt sich so mancher, auch Polizist Felix, der mit seinen Fragen nicht zu ihr durchdringen kann. Davon will der Hauptkommissar aber nichts hören.

Und so bleibt die Frau erst einmal auf dem Dach und nimmt damit Einfluss auf das Leben zahlreicher anderer Menschen. Auf diese wirkt sich das Geschehen in ganz verschiedener Weise aus. Jeden von ihnen begleitet man eine Weile und erfährt unterhaltsame, berührende und nachdenklich stimmende Dinge. Die Wege zahlreicher Charaktere überschneiden sich durch die Ereignisse in überraschender Weise und mit der Zeit ergibt sich daraus ein immer vollständigeres Bild der Gesamtsituation.

Insgesamt ist „Der Sprung“ von Simone Lappert ein bittersüßer Roman, der mich packen konnte und mit einer großen Bandbreite an Charakteren und Emotionen in Berührung brachte. Große Leseempfehlung!