wunderbares Buch

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petral. Avatar

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Der Sprung von Simone Lappert beginnt ganz ungewöhnlich mit dem Ende zuerst. Im ersten Kapitel erlebt man den Sprung einer Frau von einem Hausdach. Eigentlich springt sie nicht, sondern sie läuft einfach über den Rand, so als würde sie in die Luft spazieren. Und während sie fällt , gehen ihr nochmal in rasender Geschwindigkeit alle möglichen Gedanken durch den Kopf, sie erlebt den Sprung mit allen Sinnen, ganz bewusst und wir Leser mit ihr.

Und dann fängt eigentlich erst die wahre Geschichte an. In kurzen Kapiteln kommen immer abwechselnd zehn Personen zu Wort, die in irgendeiner Form von diesem Ereignis betroffen sind. Da wäre unter anderem der Polizist Felix, der ausgerechnet an diesem Tag Dienst hat , als der Notruf einer Anwohnerin hereinkommt, die berichtet, dass eine lebensmüde Frau gerade dabei ist, sich von einem Dach zu stürzen. Oder das Ehepaar, das einen kleinen Lebensmittelladen hat, der schon lange nicht mehr gut läuft, was besonders dem Mann schwer zu schaffen macht und deren Laden nun von Massen von Schaulustigen gestürmt wird, die sich vor dem Haus mit der Lebensmüden auf dem Dach versammelt haben, um mit ihren Handys Bilder zu schießen oder Videos aufzunehmen, um sie auf irgendwelche Internetplattformen hochzuladen. Oder der Freund der Frau, der als einziger nicht daran glaubt, dass seine Freundin wirklich so verzweifelt ist, dass sie ihr Leben beenden möchte.

Einen ganzen Tag und eine Nacht zieht es sich hin, und sogar das Fernsehen und die Presse tauchen vor dem Haus auf und berichten über die "Irre", die auf einem Dach steht, sich die Haare rauft und dabei wütend Dachziegel in die Menge wirft. Vorm Haus die Zuschauer, die das anscheinend auch noch genießen, dass ihnen so ein spannendes Schauspiel geboten wird.

Und während nun abwechselnd diese zehn Personen, die direkt oder indirekt mit der Frau auf dem Dach zu tun haben , zu Wort kommen, man sie mit jedem Kapitel etwas näher kennenlernt, kommen auch Stück für Stück deren eigene Sorgen und Probleme, oder Lasten aus der Vergangenheit ans Tageslicht , nach und nach erfährt man nun auch, was denn die Frau überhaupt aufs Dach getrieben hat.

Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich richtig in die Geschichte eingetaucht bin, denn anfangs dachte ich noch, das ist einfach nur ein Buch mit lauter Kurzgeschichten und dass hier zehn Menschen einfach ihre Version zum Suizid einer Frau erzählen . Doch bereits nach den ersten paar Kapiteln war ich dann gefesselt, denn Simone Lappert erzählt so emotional und einfühlsam und in so eindringlicher und manchmal schon fast poetischer Sprache , wie sich die Lebenswege verschiedener Menschen zufällig und schicksalhaft miteinander verbinden, oder manchmal auch einfach nur kurz kreuzen. Man kann einfach nicht aufhören zu lesen, bis man erfahren hat, wie es mit jedem dieser Menschen weitergeht. Ob sich ihr Schicksal nach diesem Tag zum Guten wendet, ob sie ihr jetziges Leben nochmal überdenken, oder ob es sogar ein sehr trauriger Tag sein wird, für keinen dieser Betroffenen wird das Leben nach dem Sprung noch so sein, wie es vorher war.

Ein wunderbares Buch, das ich auf jeden Fall weiterempfehlen würde.