Locker aus der Hüfte geschossene Fantastik

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
sendorra Avatar

Von

Das Spurenfindergeschäft ist ein riskantes. Weswegen sich Elos von Bergen mit seinen beiden Kindern Naru und Ada in das wohl verschlafenste Nest des Königreichs Dreibrücken zurückzieht: Friedhofen. Denn um die Zwillinge sicher aufwachsen zu sehen, verzichtet der Witwer gern auf sein vormals abenteuerliches Leben.

Doch als der Holzfäller des Dorfes am Waldrand eine schlimm zugerichtete Leiche entdeckt, steckt der Spurenfinder schnell bis zum Hals in den Ermittlungen. Zusammen mit seinen neunmalklugen Kindern.

„Der Spurenfinder“ strotzt vor frischen Fantastik-Ideen. Fand ich den Namen Friedhofen für ein abgelegenes, verschlafenes Nest am Rande der Welt doch arg platt; holten Feuerdrops, die Nacht der Träume, Oma Martens, Jahrmarktattraktionen, Wandelwesen, Stimmonade und noch so viel mehr die kreativen Kartoffeln flott aus dem Feuer.

Die Verlorenen Provinzen sind mittelalterlich-magisch, märchenhaft und doch auch modern. So tragen die Dörfler völkerverbindende Namen – mal nordisch, mal südländisch oder morgenländisch und mal fantastisch anmutend. Jeder darf jeden lieben. Marotten dürfen gepflegt und das Recht auch mal persönlich frei gedeutet werden. Die Charaktere sind vielfältig in ihrem Wesen: ehrenwert und besonders; frech, vorwitzig und liebenswert; moralisch anständig bis Ränke schmiedend böse.

Das macht alles großen Spaß. Dem Mann, mir – und besonders den Kids. Chef (10) und Vizechef (7) genossen das Abenteuer der Spurenfinderfamilie sehr. Liebten die Fantasy-Welt, die frechen Zwillinge und all die verrückten Ideen und Figuren. Sie lachten mit mir zusammen immer wieder laut heraus. Und fanden die durchaus vorhandenen gruseligen Stellen weit weniger gruselig als ich. Wie so oft…

„Der Spurenfinder“ ist locker aus der Hüfte geschossene Fantastik für Menschen ab zehn Jahren. Zum Vorlesen auch für gestandene Abenteuer ab acht Jahren – muss ich ehrlicherweise sagen. Auch wenn mein Siebenjähriger es wahrscheinlich von uns allen am besten fand. Der Mord ist zentrales Thema und durchaus brutal beschrieben.

Mehr als das machen aber die Intrigen und Gut-Böse-Schattierungen, das Geschehen kompliziert. Und mehr als einmal fühlte ich mich genötigt einen Exkurs in die Thematik zweifelhafter Selbstjustiz und Erpressung zu führen. Denn Elos macht moralisch nicht unbedingt die rechtschaffenste Figur.

Doch ich liebe sowas ja. Mit den Jungs die Graustufen des Lebens und des Menschseins zu erforschen. Und letztendlich wird mir dieses sehr unterhaltsame Fantasy-Buch gerade wegen der Gespräche mit meinen Kindern in Erinnerung bleiben.

Nachtrag zu den Illustrationen

Die Zeichnungen von Känguru-Cartoonist Bernd Kissel veredeln mit ihrer realistischen Bleistiftästhetik immer wieder den Text. Was an sich schon ziemlich cool ist. Doch sind sie auch stimmungsvoller Bestandteil der Story. Denn Nachwuchsspurenfinder Naru dokumentiert mit seinem künstlerischen Talent wichtige Spuren und Eindrücke. Diesen gestalterischen Kniff mochte ich sehr.