Gut lesbar. Mit Keks auf der Untertasse!

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wandablue Avatar

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Geschichte ist meins und guter historischer Roman auch. Aber guter historischer Roman - das ist extrem selten. Mosser ist nicht herausragend, doch nicht so süßlich, dass es einen graust. Man kann "Den Doppeladler" lesen,versäumt aber auch nichts, wenn nicht.

Birgit Mosser beschreibt mehrere Menschen, die während des Ersten Weltkriegs in der Donaumonarchie leben, Erzählzentrum ist Wien, obwohl es auch andere Handlungsorte gibt. Am Ende des Krieges ist das Habsburger Reich vernichtet, zerschlagen und neu geordnet. Es ähnelt nun dem Österreich, das wir im 21. Jahrhundert kennen.

Historie und Menschenschicksal gehen Hand in Hand, soweit hat die Autorin ihre Aufgabe ganz gut gelöst. Sprachlich ist das Buch in Ordnung, jedoch schlicht, kommt ohne Phrasen durch das Buch, jedoch taucht gefühlt 1000mal das Lieblingsadjektiv „schmal“ auf. Eine derartige Häufung muss Probelesern, Autorin und Lektorat unbedingt auffallen! Insgesamt aber ist das Buch nett geschrieben. Man kann es lesen.

Man muss den Roman aber nicht lesen, denn das Außergewöhnliche, das, was den einen historischen Roman über den anderen hinaushebt, das fehlt. Ja, man muss noch weitergehen und leider bekritteln, dass die Protagonisten stereotype Züge tragen, Groschenheftfiguren nicht unähnlich, wenn auch nicht gleich, dafür sind sie dann doch etwas zu komplex, wiederum jedoch auch nicht weit genug davon entfernt, um echte Qualität zu haben. Da gibt es die ledige Mutter, die unterdrückte Ehefrau, die verstoßene Tochter, den bedrückten Helden, den Kriegsgefangenen, den Grausamen, den Mannen im Gewissenskonflikt, etc. etc. Dadurch entsteht der Eindruck, das Romanpersonal diene lediglich dem Zeigen der Historie und zwar einem Zeigen, das schon hundertmal gezeigt worden ist.

Doch eigentlich müssten die Protagonisten so starke Charaktere sein, dass man sich nicht fragt, ob die Autorin Figuren kreiert, die in die Zeit passen, sondern sie müssen Menschen sein, die einen flashen und die eben "rein zufällig" in der Zeit leben, in der sie leben. So ist es beim „Der Sturz des Doppeladlers“ von Birgit Mosser jedoch nicht. "Man merkt die Absicht und man ist verstimmt." (Wilhelm Busch).

Doch der Keks auf der Untertasse, die gewisse Portion Geschichte, die mit den Figuren mit serviert wird, wenngleich manchmal unbeholfen, ist der eigentliche Protagonist und reserviert dem Roman das Mittelfeld im Sektor Gute Unterhaltung.

Fazit: Der Roman „Der Sturz des Doppeladlers“ operiert mit gut recherchierten Fakten aus dem Ersten Weltkrieg und hebt die stereotypen Protagonisten wenige Zentimeter aus dem Niveau des Groschenheftromans heraus.

Kategorie: historischer Roman // Gute Unterhaltung
Verlag: Amalthea Signum, Wien, 2016