Der Thriller bin ich?

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metalpanda Avatar

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> **Thril­ler, der**
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> Wortart: Substantiv, maskulin
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> Worttrennung: Thril|ler
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> Bedeutung: Film, auch Theaterstück oder Roman, der Spannung und Nervenkitzel erzeugt
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> _(Quelle: Duden)_

Eins vorweg: An diese Rezension gehe ich mit gemischten Gefühlen ran. Ich habe mir - anhand der Leseprobe, des Klappentextes und nicht zuletzt durch die Genrebezeichnung "Thriller" - etwas ganz anderes vorgestellt. Das soll aber nicht unbedingt heißen, dass mir das Buch gar nicht gefallen hat.

Ein Gutsverwalter in einem kleinen staubigen bayerischen Schloss, dessen größte Anziehungskraft eine ebenfalls staubige "Kuriositätensammlung" mit Schrumpfköpfen und sonstigen Gruselelementen darstellt, wird gegen seinen Willen in die Jagd nach nichts minder als der Weltformel hineingezogen. Die Erzählung schwingt zurück in die Zeiten des Kalten Krieges, wo der Leser einen genialen Physiker und begnadeten Musiker Bertold Oftenhain und jede Menge Geheimangenten unterschiedlicher Großmächte kennenlernt. Im letzten Teil kehrt die Erzählung in die Gegenwart zurück.

Es dreht sich zwar alles um die Weltformel - aber irgendwie auch nicht. Zunächst wird der Leser mit gefühlt Dutzenden Geheimagenten verschiedener Lager bekanntgemacht, so dass es anfangs sehr schwierig ist, sich zurechtzufinden und zuzuordnen, wer nun auf welcher Seite steht und wer gegen wen ist. Einige Erzählungsstränge sind sehr langatmig, zum Beispiel die ausufernden Beschreibungen des Schlosses und dessen "Kuriositätenkabinetts", da erwartet man als Leser, dass es später sicherlich eine entscheidende Rolle spielen muss, wenn schon so detailliert darauf eingegangen wird. Doch anscheinend soll es nur dazu dienen, die Halluzinationen des bekifften Gutverwalters zum Ausdruck zu bringen. Dagegen werden manche für den weiteren Verlauf entscheidende Handlungswendungen nur am Rande erwähnt, sodass man schon mal Gefahr läuft, sie zwischen langatmigen Beschreibungen zu überlesen. So ist es für mich zum Beispiel nicht ganz klar geworden, warum die ganze Sache viele Jahrzehnte nach dem Kalten Krieg überhaupt nochmal aufgerollt wurde. Haben die Agenten das Interesse an der Weltformel zeitweise verloren und dann - zack - war es wieder da, brennender denn je?

Ebenfalls zunächst verwirrend, doch an sich sehr gelungen ist die Tatsache, dass zu unterschiedlicher Handlungszeit zwei unterschiedliche "Ich"-Erzähler auftauchen.

Die eigentliche Geschichte um die Weltformel ist sehr interessant, doch aus dem Grundgedanken hätte man noch viel mehr rausholen und eine viel spannender verstrickte Geschichte drehen können.

Am Interessantesten fand ich den Mittelteil des Romans, der in den Zeiten des Kalten Kriegs spielt, die Zeit, die mir wie allen jüngeren Lesern nur aus dem Geschichtsunterricht in meiner Schulzeit bekannt ist. Hier erkennt man, dass der Autor gut recherchiert hat, vor allem was die "Tricks" der Geheimagenten angeht. Allgemein bedient sich Max Bronski eines angenehmen Schreibstils, sodass auch die oben erwähnten überflüssigen, langatmigen Passagen gut lesbar bleiben. Vor allem wenn man bedenkt, dass es sich eigentlich um einen sehr trockenen wissenschaftlichen Stoff handelt.

Leider fand ich den Schluss des Romans weniger gelungen, irgendwie auf die Schnelle "mit der heißen Nadel gestrickt", als würde dem Autor die Puste ausgehen. Eine richtige Spannung kam nicht einmal auf den letzten Seiten auf.

Und hier kommen wir zum Grund"problem": durch die Genrebezeichnung "Thriller" (Duden-Eintrag siehe oben) werden die Leser - so wie ich auch - in die Irre geführt. Man erwartet viel mehr Spannung, Nervenkitzel, aufregende Geschehnisse, sodass sich beim Lesen die Nackenhaare aufstellen. Was man bekommt, ist ein solides Werk über ein eher trockenes wissenschaftliches Thema mit wenig Unterhaltungswert. Man muss sich Zeit nehmen, um sich durch den Roman "durchzukämpfen" und ihn zu begreifen. Das Buch ist eigentlich nicht schlecht - aber nur für die Kenner und Liebhaber dieses eher trockenen Genres.