Nur ein Rädchen im Getriebe

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matheelfe Avatar

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Richard Eulmann wird in seinem Garten von einem älteren Herrn erschossen. Die Tat gleicht einer Hinrichtung. An diesem Sonntag wartet Leo, sein Nachfolger als Gutsverwalter auf Schloss Ottenrain, umsonst auf ihn.
Wenige Tage später wird Leos Tante in seinem Heimatdorf in Österreich erschossen. Leo vermutet, dass es zwischen beiden Morden Zusammenhänge gibt.
Der Roman besteht aus vier Teilen. Im ersten Teil im Jahre 2006 geschehen die beiden Morde. Zwei alte Männer, Fred, ein britischer Agent, und Joe, ehemaliges Mitglied der CIA, werden dadurch aufgeschreckt. Auch Malikow, einst Mitglied des KGB, stellt erneut Fragen.
Der zweite Teil beginnt im Jahre 1957. Der junge Physiker Oftenhain flieht aus der DDR, nachdem sein Vater, ein Pfarrer, verhaftet wurde und er keine berufliche Perspektive mehr sieht. Nach der Flucht gelangt er in die Fänge zweier Geheimdienste und bekommt eine Stelle an der ETH Zürich. Der Sputnikschock hat zu hektischen Aktivitäten bei den Geheimdiensten geführt. Man möchte über die neuesten Forschungsergebnisse möglichst als erster informiert sein. Besonders im Fokus ist die Schweiz, da es dort Wissenschaftler gibt, die Spezialisten in der Quantenphysik sind und an der Weltformel arbeiten. Oftenhain hat eine besondere Begabung. Er kann Zahlen in Musik übertragen.
Der dritte Teil spielt 1965. Oftenhain arbeitet jetzt bei Professor Kaltenbrunner in München. Es gibt Gerüchte, dass er die Weltformel hat und in einem Vortrag publik machen will. Daran ist aber keine der Großmächte interessiert. Öffentlichkeit ist das letzte, was sie wollen.
Der letzte Teil spielt wieder in der Gegenwart und bringt die überraschende Auflösung der Morde.
Während ich den ersten Teil etwas langatmig, insbesondere die Beschreibung vom Schloss und seiner Exponate, fand, hat mich das Buch dann schnell begeistert. Dazu trug die exakte wissenschaftliche Darstellung der physikalischen Zusammenhänge bei. Neben den vier Grundkräften der Physik, deren Zusammenfassung in einer einheitlichen Formel bis heute eine ungelöste Aufgabe ist, und kleineren Ausflügen in die Kosmologie, nehmen vor allem die Quantenphysik und Phänomene einen breiten Raum ein. Sehr interessant fand ich die Idee, die Unbestimmtheit der Elementarteilchenphysik mit der Unbestimmtheit von Tod und Leben, ja dem einzelnen Lebensweg, zu vergleichen. Auch das Zusammenspiel von Mathematik und Musik konnte mich begeistern. Natürlich kam mir entgegen, dass ich naturwissenschaftliches Studium absolviert habe.
Der Roman ist eingebettet in den gesellschaftlichen Kontext. Die Arbeit der Geheimdienste sorgt für die notwendige Spannung, zeigt aber auch, dass es selbst bei befreundeten Staaten mehr ein Gegeneinander als ein Miteinander gab. Der einzelne Mensch war nur ein Rädchen im Getriebe, das man abschaltete, wenn es nicht mehr benötigt wurde.
Sehr gut herausgearbeitet wurde, dass wissenschaftliche Leistungen ein Machtfaktor in der Politik sind. Dabei sind Missgunst und Neid unter Wissenschaftlern ein tragfähiger Boden für Verrat.
Die Protagonisten wurden sehr gut dargestellt. Das gilt insbesondere für Oftenhain, aber auch für die Agenten.
Insgesamt handelt es sich um einen wissenschaftlich gut recherchierten, spannenden Thriller. Der Roman hat mich sehr gut unterhalten. Allerdings sollte der Leser des Buches Grundkenntnisse über physikalische Zusammenhänge oder zumindest Interesse daran mitbringen. Das erhöht eindeutig das Lesevergnügen.