Physik in höchsten Tönen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
jam Avatar

Von

„Wenn wir das Einzelne betrachten, verhalten wir uns wie ein Quantenphysiker, der immer da, wo er ein Teilchen herauszumessen versucht, auch tatsächlich eines findet... Deshalb stoßen auch wir bei der Betrachtung unseres Lebens oft auf Unglück, wo wir ebenso gut dem Gegenteil hätten begegnen können.“

Cover:
Das Cover ist schlicht gehalten, in schwarz, der Titel in Weiß, der Name des Autors in Rot, darunter in grün „hingekritzelte“ mathematische Formeln, gefällt mir gut.

Inhalt:
2006: Tino Senoner arbeitet als Gutsverwalter in Bayern, er hat ein ruhiges Leben, bis sein Vorgänger, Herr Eulmann, in seinem Zen-Garten erschossen wird.
Von da an überschlagen sich die Ereignisse, kurz darauf wird auch seine Tante durch einen Schuss in den Hinterkopf getötet – seine Mutter verschwindet nach der Beerdigung...

1957: Bertold Oftenhain, ein Physiker, lebt in der DDR. Als sein Vater für seine überzeugten Predigten inhaftiert wird, flüchtet er in den Westen. Er wird von der CIA mit der Aussicht auf einen Assistenzjob bei einem berühmten Professor angeworben – gleich darauf tritt der KGB auf ihn zu und erpresst ihn.
Auf der Suche nach der Weltformel wird er zum Spielball dreier Weltmächte...

Wie es mir dabei ging:
Ich habe lange für dieses Buch gebraucht, es wird dem Genre Thriller zugeordnet, ist aber wesentlich mehr als das.
Der erste Teil wurde zeitlich ins Jahr 2006 gelegt, da fällt vor allem die schöne Formulierung auf, es war angenehm zu lesen, noch nicht packend.
Im zweiten Teil landet der Leser 1957/58, mitten im Kalten Krieg.
Aus der Ich-Perspektive erzählt uns Oftenhain die Wege seiner Forschung, den Drahtseilakt zwischen CIA und KGB und lässt uns auch an seinen privaten Erlebnissen teilhaben.
Hier fiel es mir sehr schwer, reinzukommen. Meine schulische Bildung ist zwar nicht die schlechteste gewesen, aber halt doch schon eine Weile her und ich tat mir schwer damit, in das geschichtliche Geschehen zu finden. Auch die immer wieder – teils sehr langen – Passagen über Physik und die Weltformel fand ich oft sehr verwirrend, musste weite Teile ein zweites Mal lesen, um sie auch nur ansatzweise zu überblicken.
Aber die Formulierungen sind einfach eindrücklich, die Wege, Physik in einfacherer Form darzustellen, mit dem Leben zu vergleichen, sie in Töne zu wandeln gefiel mir ausgesprochen gut.
Hier gewinnt die Geschichte deutlich an Fahrt, bald meint man, die Lager sondiert zu haben, wird aber immer wieder von Doppelagenten und Wendungen überrascht.

Wieder 2006 angekommen, beginnt der Kreis, sich langsam zu schließen, die losen Enden finden zusammen und der Nebel lichtet sich. Hierzu will ich nicht mehr sagen, denn der Autor lässt den Leser sehr lange Zeit im Dunkeln und ich will niemanden die Freude nehmen, selbst Ordnung in das Chaos bringen zu können...

Tja, und jetzt, nachdem ich mich teilweise wirklich geplagt habe damit, sind mir die Protagonisten des Buches ans Herz gewachsen und es tut mir ein wenig leid, es aus der Hand legen zu müssen...

Fazit:
Ein außergewöhnlicher Thriller, der den Leser nicht durch rasante Action besticht, sondern durch hintergründige Spiele und überraschende Wendungen.
Nichts zum Nebenbeilesen, aber wenn man sich die Zeit nimmt und es konzentriert liest, nimmt es einen gefangen!