Toller Heimatkrimi!

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marionhh Avatar

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Kurz vor Weihnachten, in den tief verschneiten Ötztaler Alpen in Südtirol, geschieht ein grausamer Mord: Der Einsiedler Peppi Sattler wird mit einer Pfeilspitze im Hals tot aufgefunden. Das Dorf Kurzras ist in heller Aufregung. Commissario Johann Grauner und sein Kollege, der Neapolitaner Saltapepe, übernehmen den Fall. Sie treffen auf eine eingeschworene Dorfgemeinschaft, auf Intrigen und Verstrickungen und lang zurück liegende Feind- und Freundschaften…

Toller und spannender Krimi mit viel Lokalkolorit, skurrilen Charakteren und oftmals doch recht überraschenden Wendungen. Nichts ist wie es scheint, das muss Commissario Grauner mehrfach feststellen. Der Autor hat ein äußerst interessantes Ermittlerduo erschaffen, das in meinen Augen in Serie gehen muss und dessen Fälle vor der atemberaubenden Kulisse der Südtiroler Alpen spielen. Der Schreibstil ist sehr flüssig und eingängig, dabei hält der Autor sich nicht mit überflüssigen, ausschweifenden Beschreibungen auf, sondern ist mitunter recht reduziert und lässt Raum für die eigene Vorstellungskraft. Die Sprache besonders bei den Dialogen ist kurz und knackig, dafür ist die Gedankenwelt der Protagonisten umso intensiver, und die Charaktere sind bis in die Nebenfiguren alle vielschichtig und spielen alle eine wichtige Rolle für die Ermittlungsergebnisse. Der Text ist außerdem mit lokalen Ausdrücken gespickt, und manchmal sind die Dialoge oder Situationen auf unverhoffte Weise lustig. Das zeitliche Geschehen zieht sich lediglich über vier Tage hinweg, passenderweise sind die vier Teile mit dem jeweiligen Datum überschrieben, und die Kapitelzählung beginnt dann pro Teil wieder aufs Neue. Der Verlauf der Geschichte erfolgt aber chronologisch und liest sich gut hintereinander weg.

Die beiden Hauptfiguren, die Ermittler Commisario Grauner und Ispettore Saltapepe, könnten unterschiedlicher nicht sein, und auch von diesem Gegensatz lebt natürlich die Geschichte. Beide betreiben intensive Vergangenheitsbewältigung, reden aber nicht darüber, man erfährt also nur in Ansätzen, warum der wärmeliebende, leidenschaftliche Süditaliener Saltapepe in den hohen Norden zu den – in seinen Augen – Halbwilden in den überflüssigen Bergen versetzt wurde oder was mit Grauners Eltern wirklich geschehen ist. Saltapepe ist durch und durch Süditaliener, liebt italienisches Essen, trägt Maßanzüge und ebensolche Schuhe und findet Schnee überbewertet. Grauner hingegen ist ein Kind Südtirols und liebt nicht nur seine Familie und seine Kühe, sondern auch seinen Beruf innig. Hochintelligent, kennt er aber auch die dörflichen Strukturen bestens und kann mit den eigenwilligen Dorfbewohnern sehr gut umgehen, entlockt ihnen langsam aber sicher ihre Geheimnisse und kommt dann durch eigene Denkleistung auf die Lösung. Also eigentlich kein Actionheld, sondern ein klassischer, etwas altmodischer Ermittler, der von modernem Firlefanz wie Forensik nicht besonders viel hält, es sich aber gut zunutze macht. Doch bei allen Gegensätzen vereint beide ihre Liebe zum Beruf und der absolute Wille zur Aufklärung und zur Wahrheit. Sie können sich in brenzligen Situationen voll aufeinander verlassen, auch wenn sich ihre Methoden deutlich voneinander unterscheiden.

Der Fall ist recht komplex, hat einige Verstrickungen und die Lösung erschließt sich dadurch nicht auf Anhieb, obwohl das tatsächliche Motiv dann letztendlich für mich etwas enttäuschend war. Dies tut dem Lesevergnügen aber keinen Abbruch, der Autor verwurstet mehrere Themen, spielt gekonnt mit der berühmten Geschichte der Gletscherleiche Ötzi, den typischen Touristen- und Dorfclichées und arbeitet die oftmals skurrilen Figuren mit all ihren Macken sehr gut heraus. Dass der Autor Südtirol und seine Menschen liebt, ist offensichtlich, liebevoll zeichnet er das Bild der sturköpfigen, aber liebenswerten Bevölkerung mit eigenwilligem Dialekt, die mehr oder minder zufällig („durch eine politische Schlamperei“) zu Italien gehört, sich ihre eigene Kultur aber bis heute bewahrt hat.

Fazit: Kurzweiliger, spannender Krimi mit hohem Unterhaltungswert und tollen Charakteren! Wenn der Autor das Niveau hält, besteht die Gefahr, dass das Ermittlerteam Kultstatus erhält, ähnlich wie Kluftinger. Für alle Fans des klassischen Heimatkrimis, für Einsteiger und solche, die einfach eine tolle Geschichte mit viel Lokalkolorit lesen wollen.