Britischer Humor at its best!

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kleine hexe Avatar

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Woher haben die Briten nur ihren herrlichen und schrägen so typisch britischen Humor? Was passiert, wenn eine Frau als Rechtsanwalt im Templebezirk praktizieren will? Abgesehen davon, dass sie nicht zum Studium des Rechts zugelassen wird, müssten noch Vater und Bruder zustimmen. Frauen dürfen nur als Ehefrauen im Hintergrund sichtbar sein. Unverheiratete Frauen dürfen sich um die Kinder der verheirateten Familienmitglieder kümmern.
Der Bezirk des Inner Temple ist in diesem historischen Krimi eine in sich geschlossene Welt. Eigene Kirche, eigenes Speiselokal mit eigener Küche, eigene Druckerei spezialisiert auf Fachliteratur der Jurisprudenz, manche der Anwälte wohnen sogar im Bezirk.
Der Betreiber der Buchdruckerei und -ladens gibt Anlass zu einer Parallelhandlung zum eigentlichen Krimi. Das Manuskript eines Kinderbuches wurde ihm anonym auf die Türschwelle gelegt, er druckte es, das Buch wurde ein Riesenhit, der Verleger konnte seinen Laden, seine Finanzen und sein Haus sanieren. Aber nun meldet sich eine junge Frau, die behauptet, die Autorin des Buches zu sein und verlangt das ihr zustehende Geld.
Der arme Oberrichter, noch nicht richtig tot und schon beginnt das große Hauen und Stechen um die Nachfolge. Gleich zwei Anwälte bewerben sich um diesen Posten.
Der Anwalt Gabriel Ward wohnt ebenfalls im Inner Temple. Auf seiner Türschwelle wurde die Leiche des Lord Oberrichters entdeckt. Ward soll nun den Mord am Oberrichter klären und auch den Fall des Buchverlegers vor Gericht vertreten. Lord William Waring, Schatzmeister im Temple, verheiratet, zwei Töchter, eine Geliebte und diverse gelegentliche Gespielinnen, zwingt Gabriel, sich um die Aufklärung des Mordes zu kümmern, ansonsten droht er ihm mit dem Rauswurf aus seiner komfortablen Wohnung im Inner Temple. Waring nennt diese Erpressung euphemistisch eine “ausgesprochen erquickliche Unterredung” (S. 47)
Ward zur Seite steht der junge Constable Maurice Wright von der City of London Police, ein Mann von außergewöhnlicher Beobachtungsgabe und liberalen Denken. Ohne viel Schulbildung und ohne ein Buch gelesen zu haben, besitzt er eine natürliche Intelligenz, die ihn Zusammenhänge schnell erkennen lässt. Die Zusammenarbeit zwischen dem trockenen, scheuen und vielbelesenen Rechtsgelehrten Ward und Wright, der “in der Schule nur Buchstaben und Zahlen gelernt und noch nie ein Buch besessen” hat (S. 72) gestaltet sich als äußerst erquicklich, für die beiden, aber auch für uns, die Leserschaft. Als Ward dem Constable einen trockenen Sherry anbietet und ihn fragt, ob der Sherry zu trocken sei, antwortet dieser ehrlich und treuherzig: “Nein, danke Sir… Er ist tatsächlich ziemlich nass.” (S. 73)
Es ist die Zeit, in der sich neue Methoden in der Kriminologie langsam durchsetzen aber noch nicht von allen Polizisten beachtet werden. So gibt es den Sergeant, der den Tatort kontaminiert, und überall herumtrampelt und alles anfasst, weil er solch neumodische Methoden für Humbug hält.
Ein anderes erheiterndes Thema, obwohl nichts daran lustig ist, die Kindermädchen im Buch lieben den Roman Jane Eyre von Charlotte Bronte, weil sie insgeheim die tiefe vergebliche Hoffnung hegen, dass ein reicher Gutsbesitzer sie einmal ehelichen wird.
Ich habe den britischen Humor sehr genossen. Understatement, oft nur angedeutete Antworten, Gesten, deren Bedeutung sich dem Leser erst im Nachhinein erschließen, einfach herrlich. Für dieses Buch muss man sich Zeit lassen, um dem Humor und Iroie Gelegenheit zu geben, sich so richtig zu entfalten.