Geschlossene Gesellschaft
An den Ufern der Themse errichteten im 12. Jahrhundert die Mitglieder des Templerordens eine imposante Rundkirche, die Temple Church. Um sie herum erwuchs der Temple-Bezirk und wurde zum Hauptsitz ihrer englischen Niederlassung. Nachdem der Orden der Tempelritter im 14. Jahrhundert aufgelöst wurde, bezogen Anwälte das Gelände und die sich darauf befindenden Gebäude. Von nun an prägen juristische Schulen und Kanzleien die Umgebung. Sie gründen den Inner, und den Middle Temple, die zwei der vier Inns of Court bilden und Zentren für die juristische Elite sind. Der Temple-Bezirk wird zum Herzstück der britischen Rechtsgemeinschaft, eine Enklave im Herzen der City of London. Für die Barrister und Richter ist der Temple, mit seinen Bibliotheken und kunstvoll angelegten Gärten eine Oase des Friedens und der Gelehrsamkeit.
Für Kronanwalt Sir Gabriel Ward, ist der Temple mehr als nur ein Ort der Jurisdiktion. Er ist sein geschütztes Refugium, in dem er lebt und arbeitet. Schon seit Jahren hat der unscheinbare Mann anfang fünfzig, dessen Tage dem immer gleichen Schema folgen, keinen Fuß mehr vor die Tore des Temples gesetzt. Viel lieber widmet er sich seinen Mandanten, deren Rechtsangelegenheiten oftmals als die aussichtslosesten gelten und die Ward aufsuchen, weil sein Renommee verspricht, selbst die vertracktesten Fälle gewinnen zu können. Und jeden Abend nachdem er seine Kanzlei pünktlich verlassen hat, sitzt er in der Zeit zwischen sechs und halb eins in seiner Wohnung, an immer dem selben Platz, um zu lesen. Diese peinlich genauen Verhaltensweisen machen ihn in den Augen seiner Mitmenschen zu einem Sonderling.
„Manch einer hätte Gabriels Leben vielleicht als einsam, freudlos und arm an Liebe und allem empfunden außer dem Materiellen. Aber für ihn war es tatsächlich ganz und gar passend.“
Als Gabriel Ward wie an jedem anderen Morgen die Tür zu seiner Kanzlei öffnen will, muss er zunächst über den Körper eines Mannes steigen, der vor der Türschwelle liegt und offensichtlich tot ist. Die Leiche wird schnell als Lordoberrichter Sir Norman Dunning identifiziert. Ein Detail fällt den Anwesenden allerdings sofort auf, und das ist nicht die Tatsache das er mit einem Tranchiermesser ermordet wurde, sondern dass er trotz seiner ansonsten akkuraten Garderobe, weder Schuhe noch Strümpfe trägt. Dieser Umstand erschüttert die Bewohner des Temples mindestens ebenso sehr wie der Mord an Englands hochrangigstem Richter selbst. Sir William Waring, der Schatzmeister des Inner Temple will unter keinen Umständen, dass die Polizei weiterhin auf dem Gelände herumschwirrt und die Leute verunsichert. Er beauftragt Gabriel Ward damit, zunächst interne Ermittlungen durchzuführen, denn dieser Mord könnte dem Ansehen des Temples beträchtlich schaden. Wobei Sir Waring vielmehr befürchtet, dass seine eigene Reputation dabei in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Ward behagt der Gedanke die Rolle eines Detektivs übernehmen zu müssen überhaupt nicht, doch er muss sich der Bitte des Schatzmeisters wohl oder übel fügen, wenn er seine geliebte Wohnung im Temple nicht verlieren will. Als Unterstützung wird ihm Constable Wright zur Seite gestellt. Ein zwar junger, doch äußerst findiger Ermittler, wie Ward nicht umhinkommt zu bemerken. Und der ihm eine gewisse Art von Sicherheit bietet, denn der Anwalt ist zwar ein brillanter Analytiker, doch die ihm gestellte Aufgabe erfüllt ihn mit Grauen. Er muss nicht nur die physischen Mauern des Temple überqueren, sondern auch seine ganz persönlichen.
„Dann ging er die Treppe hinunter, um sich der Welt zu stellen.“
Sally Smith lässt in ihrem Viktorianischen Kriminalroman „Der Tote in der Crown Row“ das Gemälde einer Persönlichkeit entstehen, der es gelingt über sich selbst hinauszuwachsen. In einem Setting, welches mir bis zum Einstieg in dieses Buch noch völlig unvertraut war. Allein jetzt, sind mir die Strukturen und hierarchischen Systeme der englischen Justiz noch ein Rätsel. Doch wer, wenn nicht die Autorin persönlich, kann sich auf diesem Feld souverän bewegen, denn Sally Smith ist neben ihrer Leidenschaft als Autorin, selbst Kronanwältin und verbrachte ihr gesamtes Berufsleben im Temple-Bezirk. Und dieses Wissen lässt sie ganz natürlich in ihren Roman mit einfließen, wobei sie die die besonderen Strukturen innerhalb des Temple-Bezirks veranschaulicht. In die eigentliche Rahmenhandlung, die sich um den Mord an Norman Dunning dreht, wird parallel ein Nebenschauplatz eingeflochten, von dem ich Anfangs etwas irritiert war, da er keinerlei Bezug zum eigentlichen Plot hat und ich ihn fast überflüssig fand. Doch auf den letzten Seiten fügen sich auch diese losen Enden zusammen. „Der Tote in der Crown Row“ ist ein unterhaltsam erzählter Whodunit, mit Edukativer Beigabe und konstant seichtem Spannungsbogen. Die Finale Auflösung hat mich allerdings doch etwas überrascht. Alles in allem ist es ein wunderbar leichtes Stück Literatur, welches in meinen Augen Beachtung verdient.
Für Kronanwalt Sir Gabriel Ward, ist der Temple mehr als nur ein Ort der Jurisdiktion. Er ist sein geschütztes Refugium, in dem er lebt und arbeitet. Schon seit Jahren hat der unscheinbare Mann anfang fünfzig, dessen Tage dem immer gleichen Schema folgen, keinen Fuß mehr vor die Tore des Temples gesetzt. Viel lieber widmet er sich seinen Mandanten, deren Rechtsangelegenheiten oftmals als die aussichtslosesten gelten und die Ward aufsuchen, weil sein Renommee verspricht, selbst die vertracktesten Fälle gewinnen zu können. Und jeden Abend nachdem er seine Kanzlei pünktlich verlassen hat, sitzt er in der Zeit zwischen sechs und halb eins in seiner Wohnung, an immer dem selben Platz, um zu lesen. Diese peinlich genauen Verhaltensweisen machen ihn in den Augen seiner Mitmenschen zu einem Sonderling.
„Manch einer hätte Gabriels Leben vielleicht als einsam, freudlos und arm an Liebe und allem empfunden außer dem Materiellen. Aber für ihn war es tatsächlich ganz und gar passend.“
Als Gabriel Ward wie an jedem anderen Morgen die Tür zu seiner Kanzlei öffnen will, muss er zunächst über den Körper eines Mannes steigen, der vor der Türschwelle liegt und offensichtlich tot ist. Die Leiche wird schnell als Lordoberrichter Sir Norman Dunning identifiziert. Ein Detail fällt den Anwesenden allerdings sofort auf, und das ist nicht die Tatsache das er mit einem Tranchiermesser ermordet wurde, sondern dass er trotz seiner ansonsten akkuraten Garderobe, weder Schuhe noch Strümpfe trägt. Dieser Umstand erschüttert die Bewohner des Temples mindestens ebenso sehr wie der Mord an Englands hochrangigstem Richter selbst. Sir William Waring, der Schatzmeister des Inner Temple will unter keinen Umständen, dass die Polizei weiterhin auf dem Gelände herumschwirrt und die Leute verunsichert. Er beauftragt Gabriel Ward damit, zunächst interne Ermittlungen durchzuführen, denn dieser Mord könnte dem Ansehen des Temples beträchtlich schaden. Wobei Sir Waring vielmehr befürchtet, dass seine eigene Reputation dabei in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Ward behagt der Gedanke die Rolle eines Detektivs übernehmen zu müssen überhaupt nicht, doch er muss sich der Bitte des Schatzmeisters wohl oder übel fügen, wenn er seine geliebte Wohnung im Temple nicht verlieren will. Als Unterstützung wird ihm Constable Wright zur Seite gestellt. Ein zwar junger, doch äußerst findiger Ermittler, wie Ward nicht umhinkommt zu bemerken. Und der ihm eine gewisse Art von Sicherheit bietet, denn der Anwalt ist zwar ein brillanter Analytiker, doch die ihm gestellte Aufgabe erfüllt ihn mit Grauen. Er muss nicht nur die physischen Mauern des Temple überqueren, sondern auch seine ganz persönlichen.
„Dann ging er die Treppe hinunter, um sich der Welt zu stellen.“
Sally Smith lässt in ihrem Viktorianischen Kriminalroman „Der Tote in der Crown Row“ das Gemälde einer Persönlichkeit entstehen, der es gelingt über sich selbst hinauszuwachsen. In einem Setting, welches mir bis zum Einstieg in dieses Buch noch völlig unvertraut war. Allein jetzt, sind mir die Strukturen und hierarchischen Systeme der englischen Justiz noch ein Rätsel. Doch wer, wenn nicht die Autorin persönlich, kann sich auf diesem Feld souverän bewegen, denn Sally Smith ist neben ihrer Leidenschaft als Autorin, selbst Kronanwältin und verbrachte ihr gesamtes Berufsleben im Temple-Bezirk. Und dieses Wissen lässt sie ganz natürlich in ihren Roman mit einfließen, wobei sie die die besonderen Strukturen innerhalb des Temple-Bezirks veranschaulicht. In die eigentliche Rahmenhandlung, die sich um den Mord an Norman Dunning dreht, wird parallel ein Nebenschauplatz eingeflochten, von dem ich Anfangs etwas irritiert war, da er keinerlei Bezug zum eigentlichen Plot hat und ich ihn fast überflüssig fand. Doch auf den letzten Seiten fügen sich auch diese losen Enden zusammen. „Der Tote in der Crown Row“ ist ein unterhaltsam erzählter Whodunit, mit Edukativer Beigabe und konstant seichtem Spannungsbogen. Die Finale Auflösung hat mich allerdings doch etwas überrascht. Alles in allem ist es ein wunderbar leichtes Stück Literatur, welches in meinen Augen Beachtung verdient.