Aufbruch in ein neues Zeitalter

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sorko Avatar

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Oliver Pötzsch führt den Leser nach Wien im Jahre 1896. Immer wieder tauchen neue Techniken auf, die Menschen sind erstaunt und verunsichert. Automobile, bewegte Bilder/Filmprojektoren, Krematorien, Fußball – all das neue Zeug, dass vielen Leuten in jenen Tagen noch suspekt ist. Und als ehemaliger Daktyloskop hat es mich als Leser sehr gefreut, den aufgeschlossenen Inspektor Leo bei der Arbeit mit Fingerabdrücken über die Schulter zu schauen. Das steckte natürlich alles noch in den Kinderschuhen, aber der Anfang war gemacht.

Der brutale Mord an der Assistentin des amerikanischen Zauberers führt Leo dann in die Abgründe des großen Vergnügungsviertels, des Wiener Prater. Julia, die bei der Zaubervorstellung im Zuschauerraum saß, konnte mit ihrem Artikel über das Geschehen großen Eindruck machen. Da in dieser Zeit aber auch junge Mädchen im Prater verschwinden, wendet sich die Reporterin dieser Angelegenheit zu. Sie ermittelt undercover, was nicht ganz ungefährlich ist.
Augustin hat zunächst ganz andere Sorgen. Betrügerischen Bestattungsunternehmern will er das Handwerk legen, doch seine größte Sorge gilt Anna. Das 15jährige Mädchen entfernt sich immer mehr von ihrem Ziehvater und treibt sich inzwischen sogar mit Jungs herum. Mit denen spielt sie Fußball, und das sogar ziemlich gut. Von diesem neumodischen Sport aus dem Ausland hält Augustin gar nichts. Anna fühlt sich zu dem Roten Emil hingezogen, was dem Totengräber überhaupt nicht gefällt.
So geht jeder zunächst seinen eigenen Weg, aber dieser Weg führt sie über ein paar Umwege auch wieder zusammen. Die Geschichte ist sehr spannend und auch dieses Mal wieder sehr gut geschrieben. Einen Hauptverdächtigen hatte ich zwar bald ausgemacht, aber die Zusammenhänge sind keineswegs vorhersehbar, und es gibt einige Überraschungen. Alte und neue Freundschaften, und sogar Leinkirchner zeigt sich mal von einer guten Seite.
Beste Unterhaltung und unbedingt lesenswert!

P.S.: Ein kleiner Fehler ist mir aufgefallen, der aber den Lesespaß nicht stört. Im Text steht:
„... Doch dann bog er in die Ausstellungsstraße ab, an deren ruhigerem Ende sich die sogenannte Praterwache befand.“
Wenn Leo aber der Ausstellungsstraße gefolgt wäre, dann wäre er am Ende in der Donau gelandet, nicht in der Praterwache. Die Praterwache befindet sich im weiteren Verlauf der Prater Allee, unweit vom Konstantinhügel, jedenfalls wenn man dem Stadtplan in der Innenseite des Buchdeckels glauben darf.
Sicher hat Leo seinen Irrtum bald bemerkt und ist zur Prater Allee gelaufen...