Penibel recherchiert und fesselnd erzählt
Oliver Pötzsch entführt uns in das Jahr 1896, in dem die Ausstellung „Venedig in Wien“ viele Neugierige in den Wiener Prater zieht. Die staunenden Besucher können in wackeligen Gondeln durch künstliche Kanäle fahren. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt. Der Wiener Prater Anziehungspunkt ist für allerlei Gelichter und Streitereien unter den Schaustellern sind an der Tagesordnung. Um den nicht immer ganz legalen Geschäften ungestört nachgehen zu können und die Wiener Polizei vom Prater fern zu halten, hat sich eine Art Prater-Gerichtsbarkeit etabliert, die kleinere oder größere Raufhändel schlichtet und andere Vergehen zwischen den Schaustellern und Artisten ahndet.
Der Prater vermittelt einen trügerischen Glanz. Seit einigen Wochen sind mehrere Frauen abgängig. Man nimmt an, dass sie einem spendablen Gönner gefolgt sind. Dass dem nicht so ist, wird Anna, die Ziehtochter des Totengräbers Augustin Rothmeyer, bei einem Fußballspiel auf der Hohen Warte entdecken.
Doch zunächst schlägt der neue Zaubertrick der zersägten Jungfrau, der im Theater Ronacher gezeigt wird, fehl: Die Assistentin des Zauberers stirbt vor dem entsetzten Publikum unter dem sich auch Julia Wolf, die Reporterin befindet. Sie schleicht sich hinter die Bühne und beginnt die Anwesenden auszufragen. Damit kommt sie Kriminalinspektor Leo von Herzfeldt ins Gehege, der sich wenig später auch noch mit den vermissten Frauen beschäftigen muss.
Meine Meinung:
Wie wir es von Oliver Pötzsch und seinen historischen Romanen gewöhnt sind, erhalten wir auch hier einen penibel recherchierten und opulent erzählten Krimi aus dem Wien der Jahrhundertwende. Schmunzeln musste ich über die detaillierte Beschreibung der Rothschild‘schen Gärten auf der Hohen Warte und dem damaligen Fußballplatz des First Vienna Cricket and Footballclub. Der Fußballplatz, eine Naturarena, besteht heute noch, auch wenn man nun häufiger American Football als Fußball spielt. Ich habe ein paar Erinnerungen an meine Kindheit, als ich auf den Schultern meines Vaters sitzend, das eine oder andere Fußballspiel kommentiert habe.
Auch der Prater und seine damaligen Attraktionen, darunter die Ausstellung „Venedig in Wien“ oder der Auftritt der „Schlangenfrau“ mit ihrer Boa Constrictor, sind sehr gut beschrieben. Die erwähnte, noch im Planungsstadium befindliche Geisterbahn, gibt es mit ein paar Änderungen heute noch. Der Calafati wacht nach wie vor über das Geschehen, auch wenn die Fahrgeschäfte und Attraktionen nun ganz andere sind. Auf den Blumencorso muss man inzwischen mangels gekrönter Häupter allerdings verzichten.
Wer bei einem Wien-Besuch auf Julias und Leos Spuren wandeln will, dem sei das Prater-Museum und natürlich der Zentralfriedhof empfohlen.
Sehr interessant finde ich die entomologischen Studien, die Augustin Rothmeyer durchführt. Üblicherweise kennen wir sie nur von CSI-Folgen oder von True-Crime-Büchern, wenn über Bodyfarmen gesprochen wird. Dass man sich in Wien mit Neuerungen immer wieder schwer getan hat, zeigt auch die kritische Betrachtung, die Leo bei der Verwendung der der Daktyloskopie entgegengebracht wird. Offiziell wird sie erst 1902 in der ganzen Monarchie eingeführt. Ein nächster Meilenstein wird dann Rudolf Schneider (1873-1951) gelingen: Er erfindet 1909 die „Folie zur Abnahme und Fixierung von Fingerabdruckspuren“ (in einschlägigen Kreisen auch „Wiener Folie“ genannt), die die Abnahme und Archivierung der Fingerprints erleichtert.
Der erwähnte Skandal, bei dem die privaten Bestatter auch handgreiflich um Leichen gestritten haben, gab es tatsächlich. Daraus folgt, dass ab 1907 ausschließlich die Stadt Wien mit ihrer gemeindeeigene Firma „Gemeinde Wien - Städtische Leichenbestattung“ Bestattungen durchführen durfte. Inzwischen ist das Monopol aufgelassen.
Neben der fesselnden Krimihandlung, die uns tief in menschliche Abgründe blicken lässt, dürfen wir auch die private Geschichte von Julia und Leo weiterverfolgen. Schmunzeln muss ich auch, wenn Rothmeyers Ziehtochter Anna tief in der Pubertät steckt und der Totengräber ausgerechnet Leo um Rat fragt.
Der Schreibstil ist wie immer flüssig, der Sprachduktus der Zeit und dem Milieu angepasst. Für alle jene, die im Wiener Dialekt nicht ganz so bewandert sind, gibt es im Anhang ein Glossar.
Fazit:
Oliver Pötzsch hat mich mit diesem historischen Krimi sehr gut unterhalten. Ich gebe ja gerne zu, ein zwiespältiges Verhältnis zum Prater zu haben, da ich in der Nähe aufgewachsen bin und daher auch die weniger glitzernde Tagesansicht des nächtlichen Vergnügungspark kenne. Von mir erhält dieser 4. Band wieder 5 Sterne und eine Leseempfehlung.
Der Prater vermittelt einen trügerischen Glanz. Seit einigen Wochen sind mehrere Frauen abgängig. Man nimmt an, dass sie einem spendablen Gönner gefolgt sind. Dass dem nicht so ist, wird Anna, die Ziehtochter des Totengräbers Augustin Rothmeyer, bei einem Fußballspiel auf der Hohen Warte entdecken.
Doch zunächst schlägt der neue Zaubertrick der zersägten Jungfrau, der im Theater Ronacher gezeigt wird, fehl: Die Assistentin des Zauberers stirbt vor dem entsetzten Publikum unter dem sich auch Julia Wolf, die Reporterin befindet. Sie schleicht sich hinter die Bühne und beginnt die Anwesenden auszufragen. Damit kommt sie Kriminalinspektor Leo von Herzfeldt ins Gehege, der sich wenig später auch noch mit den vermissten Frauen beschäftigen muss.
Meine Meinung:
Wie wir es von Oliver Pötzsch und seinen historischen Romanen gewöhnt sind, erhalten wir auch hier einen penibel recherchierten und opulent erzählten Krimi aus dem Wien der Jahrhundertwende. Schmunzeln musste ich über die detaillierte Beschreibung der Rothschild‘schen Gärten auf der Hohen Warte und dem damaligen Fußballplatz des First Vienna Cricket and Footballclub. Der Fußballplatz, eine Naturarena, besteht heute noch, auch wenn man nun häufiger American Football als Fußball spielt. Ich habe ein paar Erinnerungen an meine Kindheit, als ich auf den Schultern meines Vaters sitzend, das eine oder andere Fußballspiel kommentiert habe.
Auch der Prater und seine damaligen Attraktionen, darunter die Ausstellung „Venedig in Wien“ oder der Auftritt der „Schlangenfrau“ mit ihrer Boa Constrictor, sind sehr gut beschrieben. Die erwähnte, noch im Planungsstadium befindliche Geisterbahn, gibt es mit ein paar Änderungen heute noch. Der Calafati wacht nach wie vor über das Geschehen, auch wenn die Fahrgeschäfte und Attraktionen nun ganz andere sind. Auf den Blumencorso muss man inzwischen mangels gekrönter Häupter allerdings verzichten.
Wer bei einem Wien-Besuch auf Julias und Leos Spuren wandeln will, dem sei das Prater-Museum und natürlich der Zentralfriedhof empfohlen.
Sehr interessant finde ich die entomologischen Studien, die Augustin Rothmeyer durchführt. Üblicherweise kennen wir sie nur von CSI-Folgen oder von True-Crime-Büchern, wenn über Bodyfarmen gesprochen wird. Dass man sich in Wien mit Neuerungen immer wieder schwer getan hat, zeigt auch die kritische Betrachtung, die Leo bei der Verwendung der der Daktyloskopie entgegengebracht wird. Offiziell wird sie erst 1902 in der ganzen Monarchie eingeführt. Ein nächster Meilenstein wird dann Rudolf Schneider (1873-1951) gelingen: Er erfindet 1909 die „Folie zur Abnahme und Fixierung von Fingerabdruckspuren“ (in einschlägigen Kreisen auch „Wiener Folie“ genannt), die die Abnahme und Archivierung der Fingerprints erleichtert.
Der erwähnte Skandal, bei dem die privaten Bestatter auch handgreiflich um Leichen gestritten haben, gab es tatsächlich. Daraus folgt, dass ab 1907 ausschließlich die Stadt Wien mit ihrer gemeindeeigene Firma „Gemeinde Wien - Städtische Leichenbestattung“ Bestattungen durchführen durfte. Inzwischen ist das Monopol aufgelassen.
Neben der fesselnden Krimihandlung, die uns tief in menschliche Abgründe blicken lässt, dürfen wir auch die private Geschichte von Julia und Leo weiterverfolgen. Schmunzeln muss ich auch, wenn Rothmeyers Ziehtochter Anna tief in der Pubertät steckt und der Totengräber ausgerechnet Leo um Rat fragt.
Der Schreibstil ist wie immer flüssig, der Sprachduktus der Zeit und dem Milieu angepasst. Für alle jene, die im Wiener Dialekt nicht ganz so bewandert sind, gibt es im Anhang ein Glossar.
Fazit:
Oliver Pötzsch hat mich mit diesem historischen Krimi sehr gut unterhalten. Ich gebe ja gerne zu, ein zwiespältiges Verhältnis zum Prater zu haben, da ich in der Nähe aufgewachsen bin und daher auch die weniger glitzernde Tagesansicht des nächtlichen Vergnügungspark kenne. Von mir erhält dieser 4. Band wieder 5 Sterne und eine Leseempfehlung.