Willkommen im Pramtower

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
magnolia-sieben Avatar

Von

Nova ist ziemlich fertig. Ihr Freund hat sie verlassen, die Wohnung wurde ihr gekündigt und auch braucht sie einen neuen Job. Und da – sie kann es noch gar nicht fassen:

„Ich bin der glücklichste Mensch der Welt, summt sie, als sich vor ihr das gigantische Hochhaus wie ein Leuchtturm im violettfarbenen Himmel erhebt. Ihr neues Zuhause.“

Es ist die Chance ihres Lebens, als sie ganz unerwartet einen Anruf erhält, in dem ihr eine gewisse Kim eröffnet, dass sie ab sofort im Pramtower wohnen wird. Und das für ein ganzes Jahr, völlig kostenlos. Ihre Bewerbung dafür liegt sechs Monate zurück und jetzt, zur genau richtigen Zeit, hat sie mehr als nur eine neue Wohnung, der luxuriöse Pramtower ist ein absoluter Traum, der jedoch ganz schnell ausgeträumt ist…

…denn bald bekommt der schöne Schein Risse. Der Tower ist komplett KI-gesteuert, ihre Stimme ist ihr Schlüssel für ihr Domizil, jeder Wunsch wird ihr erfüllt, jeden Freitag ist ein Etagentreffen anberaumt - mit Anwesenheitspflicht. Bald erfährt sie vom Suizid ihrer Vormieterin, Nachbarn benehmen sich seltsam, sie hat bald das Bedürfnis, hier wegzuziehen.

Mit KI werden wir immer mehr konfrontiert, das Thema ist sehr aktuell. Dass ein Hochhaus mitten in Berlin KI-gesteuert ist, ist durchaus als realistisch anzusehen. Ivar Leon Menger treibt es auf die Spitze, Novas anfängliche Faszination kippt, ihr Nachbar behauptet gar, dass Kim, die Stimme der Künstlichen Intelligenz, ihn festhält. Glaubt sie ihm? Eins steht fest: Kim ist stets gegenwärtig, KI sieht alles, KI hört alles, KI hat die Macht. Aber warum sollte sie an einem Mieter festhalten?

Das Szenario eines komplett KI-gesteuerten Gebäudes, in dem man nichts braucht als seine eigene Stimme, hat was - solange der Mensch die Oberhand behält, andernfalls wird man zur ferngesteuerten Marionette.

Die Story ist arg überzogen, klar. Die Figur Nova agiert in ihrer Naivität eher als eine Getriebene. Zu leichtgläubig, ja unbedarft vertraut sie den falschen Leuten. Ob eine selbständige junge Frau wirklich dermaßen einfältig ist, wage ich zu bezweifeln. Und doch habe ich um sie gebangt und mit ihr gelitten, was auch der durchgehend beklemmenden Atmosphäre geschuldet ist, die der Autor bestens versteht, herzustellen. Von Anfang an hatte ich viele Fragezeichen im Kopf, während des Lesens war ich hin- und hergerissen, lange, sehr lange konnte ich nicht absehen, wohin das Ganze führt, ob sich doch noch alles einigermaßen zum Guten wenden wird. Bis zuletzt ist nicht klar, wer hier ein doppeltes Spiel spielt. Denn wenn man denkt, alles sei überstanden, dann ist es das noch lange nicht. Ein Thriller – so spannend wie beklemmend, der ganz old school, ohne KI, gut unterhält.