Schwere Zeiten auf Sterne

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buecherfan.wit Avatar

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In ihrem dritten Roman erzählt Sadie Jones die Geschichte einer englischen Familie, die auf Sterne lebt, einem alten, hochverschuldeten Landsitz. Charlotte Torringtons erster Mann, Horace Torrington, hatte das Anwesen für seine Familie gekauft, als seine Geschäfte gut zu gehen schienen, sich aber bereits damals finanziell übernommen. Charlottes zweiter Mann, der einarmige Edward Swift, den Charlotte drei Jahre nach Horaces Tod geheiratet hatte, versucht nun, den Familienbesitz vor der Versteigerung zu bewahren, indem er sich von einem verhassten Industriellen Geld leiht.
Der Leser bekommt auf den ersten Seiten Einblick in die familiäre Situation. Charlotte hat trotz der überraschend schnellen zweiten Eheschließung lange um ihren ersten Mann getrauert, aber auch die zweite Ehe scheint trotz des Widerstands der erwachsenen Kinder Emerald (19) und Clovis (20) und des jüngeren Kindes Imogen genannt Smudge glücklich zu sein. Die Handlung setzt an Emeralds 20. Geburtstag ein. Zur Feier des Tages werden Gäste erwartet, aber der Stiefvater wird nicht anwesend sein. Emerald wirkt unglücklich, ihr Bruder Clovis schwierig, labil und wenig kooperativ.
Von den im Klappentext beschriebenen Ereignissen ist noch nichts zu spüren. Dass der Roman in einer 100 Jahre zurückliegenden Epoche spielt, errät der Leser anhand der Details: Edward Swift hat seinen Arm als 23jähriger bei einem Unfall mit einer Kutsche verloren, Autos werden mit der Anlasskurbel gestartet, und Emerald trägt gestrickte Strümpfe und ein Kleid mit einer Schleife unter der Brust.
Die Leseprobe ist nicht uninteressant, aber nicht gerade das, was man erwartet, wenn man die beiden anderen Romane von Sadie Jones kennt. Ihr außergewöhnlicher Debütroman "Der Außenseiter" mit einem Protagonisten, dessen Leben in einer verlogenen, heuchlerischen Gesellschaft eigentlich schon zu Ende ist, bevor es begonnen hat und dessen einzige Hoffnung auf Rettung die Liebe ist, dann "Kleine Kriege" - ein Roman über einen vergessenen, deshalb aber nicht weniger schmutzigen Krieg, in dem britische Soldaten die Kronkolonie Zypern gegen die Angriffe der griechisch-zypriotischen Untergrundbewegung verteidigen und dabei schuldig werden - das sind Romane von einem ganz anderen Kaliber. Dennoch würde ich auch diesem Roman eine Chance geben und der hervorragenden Erzählerin Sadie Jones einfach mehr zutrauen, als Liebesgeschichten und verborgene Geheimnisse auf alten englischen Landsitzen.