Der ungeladene Gast

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Erzählt wird von einem einzigen Tag auf einem typisch englischen Landhaus, irgendwann zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. Es ist der Geburtstag der ältesten Tochter der Torringtons. Der Stiefvater fährt zu Beginn des Romans geschäftlich fort und kommt am Ende - es ist der folgende Tag - wieder nach Hause. Der ganze Roman spielt also an einem einzigen Tag und auch ausschließlich in und um das Landhaus Sterne. Eine Geburtstagsparty wird veranstaltet, Gäste erwartet, es geht ein wenig drunter und drüber. Liebevoll werden die verschiedenen - durchweg liebenswerten, wenn auch alles andere als vollkommenen Charaktere eingeführt. Es erinnert alles an die typischen englischen Landadel Romane à la Jane Austen und liest sich genauso amüsant, durchsetzt mit feiner Ironie und turbulent. Ein Buch zum Wohlfühlen, wäre da nicht dieses Zugunglück, dass sich in der Nähe ereignet hat und eine ganze Schar sogenannter "Überlebender", durchweg aus der dritten Klasse stammend und so gar nicht zu der zwar etwas schäbigen, aber mit viel Würde und einer gehörigen Portion Standesdünkel aufrechterhaltenen Noblesse der Familie Torrington passend. Man verfrachtet die Leute mit einer Portion des guten alten englischen Tees in ein Zimmer und versucht, sie dann bestmöglich zu vergessen. Etwas später stößt noch ein weiterer Gast, diesmal aus der ersten Klasse, dazu und wird auch sogleich zu der Geburtstagsgesellschaft hinzu gebeten und zieht auch, trotz einiger Merkwürdig- und Unverschämtheiten alle in seinen Bann. Spätestens hier beginnen manche Dinge etwas merkwürdig, sogar unheimlich zu werden. Irgendetwas scheint hier ganz und gar nicht zu stimmen. Man verfolgt das Geschehen mit zunehmender Spannung. Nach ca. zwei Dritteln kippt das Genre dann vollends ins Repertoire des Schauerromans - eine Wendung, die ich nicht so gerne mitvollzogen habe. Mag sein, dass ich dieses Genre einfach nicht so schätze, aber für mich ging damit auch ein Teil der Spannung - wie reagieren die Protagonisten auf das Geschehen und die zunehmenden Provokationen des "ungeladenen Gastes"- verloren. Versöhnt hat mich das Buch dann wieder damit, dass es zum Ende hin wieder voll auf die Schiene des englischen Landadelromans zurückfindet. Alles ordnet sich wieder, Paare finden sich, selbst die beliebten Doppelhochzeiten klingen leise an, alles mit einer feinen und köstlichen Ironie, die dann wieder das Gefühl des Romanbeginns aufnimmt. Alles in allem ist "Der ungeladene Gast" ein toller Roman, amüsant, spannend, intelligent und ein geglückter Versuch Familien-, Gesellschafts- und Schauerroman zu vereinen - auch wenn ich persönlich letzterem weniger gern gefolgt bin.