"Das Wichtigste ist nicht, zu verstehen, sondern zu handeln"

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mammutkeks Avatar

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Pawel Alexandrowitsch Dobrynin ist ein einfacher Mensch, gradlinig und offen, als er zum "Volkskontrolleur auf Lebenszeit für die ganze Sowjetunion" gewählt wird. Scheinbar eine Auszeichnung, doch Pawel muss dafür Frau und Kinder und Hund und Heimat verlassen. Auf seinem Weg nach Moskau wird er von den einzelnen Unterorganisationen bestätigt - ohne jedoch zu wissen, was überhaupt auf ihn zukommen wird. Und das weiß eigentlich weder Pawel am Ende des Romans noch der Leser.

"Der wahrhaftige Volkskontrolleur" ist eine Art Roman, eine Mischung aus Fantasie und Wirklichkeit, dessen Handlung nur schwer nachzuzeichnen ist. Ist doch die Handlung eigentlich nicht relevant, ist sie doch nur Illustration der Gedanken der vielfältigen Personen über die Geschicke der Sowjetunion und des Kommunismus.

Doch wie gestaltet sich der Kommunismus nach dem Ende der Revolution, nach dem Tod Lenins - und vor dem großen vaterländischen Krieg, der allein in der landesweiten Blutspendeaktion seine Vorzeichen aussendet? Viel ist noch zu tun - und wird in der hierarchischen Bürokratiegesellschaft, die die UdSSR schon damals prägt, auch getan. Seien es von oben diktierte Aufsatzthemen (ein Schelm, wer da an das deutsche Zentralabitur denkt ...), sei es die von oben gestellte "dienstliche Ehefrau", die Pawel in Moskau bekommt.

Und auch bei seiner Kontrolleurstätigkeit kommt Pawel Alexandrowitsch mit den eigentümlichsten Personen zusammen. Und er erlebt auch am eigenen Leibe die Gefahr, die vom Fremden ausgeht - obwohl er es doch Lenin gleichtun will, und alles Fremde ehren will.

Seltsam für sich stehen die weiteren Erzählungen, die dem Roman zwar mehr Tiefe verleihen, aber nie mit den anderen Handlungssträngen zusammengeführt werden. Als Gleichnis nach der Suche nach dem Paradies fungiert der Engel, der auf die Erde kommt, um zu sehen, warum niemand aus der UdSSR nach seinem Tod in den Himmel gelangt. Auf seiner Suche nach dem "einen Gerechten" kommt er mit anderen zusammen, die ebenfalls auf der Suche sind - und dabei dann einen Urkommunismus errichten - alles wird geteilt, alles wird gemeinsam verrichtet.

Auch der Schuldirektor ist auf der Suche - auf der Suche nach Liebe und Kameradschaft. Genau wie Mark, der mit seinem sprechenden Papagei Kusma zudem die künstlerische Dimension des aufblühenden - oder bereits erblassten und korrumpierten - Kommunismus vertritt.

Schwarzhumorig kommt Andrej Kurkow vielfach daher - allerdings wohl vor allem für intimere Kenner der sowjetischen Geschichte und Mentalität, zu denen ich mich nicht zähle. Daher bleibt eine gewisse Verwirrung nach der Lektüre. Es hätte irgendwie immer weitergehen können, gleichzeitig bleibt aber auch die Erinnerung an langwierige Satzkonstruktionen, in denen eine gewisse Langeweile nicht verdeckt werden konnte. Als Einstiegslektüre in die große oder kleine russische Literatur scheint mir "Der wahrhaftige Volkskontrolleur" nicht geeignet zu sein.