Drei volle Mahlzeiten von der Anarchie entfernt

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naraya Avatar

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St. Piran in Cornwall: Der Tag, an dem ein Wal das Leben des Ökonomen Joe Haak rettet, soll das Schicksal eines ganzes Dorfes bestimmen. Eigentlich lebt und arbeitet der junge Mann in London. Sein ganzes Sein und Handeln wird von seiner Arbeit bestimmt. Vor einiger Zeit ist ihm die Entwicklung von Cassie gelungen, eines Simulationsprogrammes, das komplexe wirtschaftliche Voraussagen treffen kann. Was passiert, wenn die Ölpreise steigen? Oder wenn sich ein bereits schwelender Konflikt zwischen zwei Nationen plötzlich verschlimmert? Auf all diese Fragen weiß Cassie eine Antwort. Als sie ihn jedoch eines Tages im Stich lässt und Joes Arbeitgeber millionenschwere Verluste erleidet, flieht er ins idyillische St. Piran und stürzt sich dort ins Meer.

Als Joe wieder zu sich kommt, sieht er sich von den Dorfbewohnern umringt. Schnell gelingt es ihm, deren Sympathie und Vertrauen zu erlangen. Und so ist er es auch, der nun seinerseits mit Hilfe der Menschen aus St. Piran dem Wal das Leben rettet, als dieser am Ufer strandet. Bei Mallory Books, Dorfarzt im Ruhestand, findet Joe eine neue Unterkunft und verliebt sich in Polly, die Frau des Pastors. Endlich kann er einmal zur Ruhe kommen und den Stress seines Jobs hinter sich lassen, doch dann stellt Cassie eine furchterregende Berechnung an. Ein Ausbruch der Grippe wird viele Menschen das Leben kosten und Joe Haak weiß sofort, was er zu tun hat: er muss die Dorfbewohner sicher durch diese Katastrophe bringen.

Es ist ein interessantes, wenn auch nicht ganz neues Szenario, das Autor John Ironmonger hier entwirft. "Die Menschheit ist nur drei volle Mahlzeiten von der Anarchie entfernt" - um diese These kreist der gesamte Roman. Dennoch fällt es nicht leicht, ihn einem klaren Genre zuzuordnen. Das Buch hat leicht dystopische Elemente, eine klitzekleine Liebesgeschichte sowie viele tiefgreifende Gespräche zu bieten. Am ehesten passt vielleicht der Begriff "philosophischer Roman", aber warum auch immer alles in enge Schubladen pressen?

Der Schreibstil ist angenehm, mit einem liebevollen, aber durchaus sehr ironischen Blick beschreibt der allwissende Erzähler sein St. Piran und die Geschichte um Joe Haak. Gerade diese Momente, die die Dorfgemeinschaft mit all ihren schillernden Persönlichkeiten einfangen, sind es, die den Zauber des Romanes ausmachen. Die lebenslustige Aminata, die kluge Martha oder der brummige Mallory - sie alle machen das Buch erst lesenswert. Daher leidet der Text auch an der recht langen Passage, in der Joe allein mit Pastor Alvin in der Kirche eingesperrt ist. Die sich wiederholenden kindischen Streitereien zwischen den Männern, begleitet von Entschuldigungen und religiösen Diskussionen hätten durchaus gekürzt werden können. Ansonsten ist der Roman jedoch eine kurzweilige, unterhaltsame Lektüre, die aufgrund der zeitlichen Lage auch als Weihnachtsgeschichte gelesen werden kann.

Fazit: eine nette kleine Geschichte, der ein Wal den Rahmen gibt