Eine Vorahnung vom Ende der Zivilisation

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kainundabel Avatar

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Gleich zwei Ereignisse brechen in die Idylle des englischen Fischerdorfes St. Piran ein: Ein nackter junger Mann wird am ohnmächtig Strand angespült und kurz darauf strandet ein Wal an eben diesem Ort. Joe Haak heißt der junge Mann, seines Zeichens Analyst in London, dessen Arbeitgeber Gewinne mit Short-Trading erwirtschaftet. Dabei handelt es sich um Leerverkäufe (kein leicht zu verstehendes Metier!), die umso lukrativer sind, je mehr andere Firmen in den zu erwartenden und prognostizierten Ruin schlittern. Eigene Gewinnmaximierung durch die Pleite anderer. Joe hat dazu das Computerprogramm Cassie entwickelt, dessen Prognosen geradezu beängstigend funktionieren. Als eine Grippe-Pandemie mit allen denkbaren katastrophalen Folgen realistisch erscheint, schmeißt Joe seinen Job hin und sucht das Weite. Er findet sein Ziel in St. Piran, wo er bei einem abendlichen Bad im Ozean zu weit hinaus und in Lebensgefahr gerät. Der Wal ist es, der ihn durch seine Wellenbewegungen bewusst in Richtung Strand treibt und ihm dadurch das Leben rettet. Das Dorf wird seine neue Heimat, man nimmt den Fremden gerne auf. John Ironmonger zeigt in seinem Roman einfühlsam und zugleich eindringlich, wie notwendig die gegenseitige Verantwortung für den sozialen Zusammenhalt einer Gemeinschaft ist. Die Bewohner kümmern sich nicht nur rührend und aufopferungsvoll um Joe. Als der Wal kurz darauf an den Strand angespült wird, setzen die Menschen alles daran, ihn in einer großartigen gemeinschaftlichen Aktion wieder ins Wasser zurück zu befördern. In weiser Voraussicht der bevorstehenden Grippe hat Joe tonnenweise Lebensmittelvorräte gehortet, die in der Tat den Bewohnern nach dem Ausbruch der Pandemie das Überleben sichern. Auch hier erweist sich die gegenseitige soziale Verantwortung als Pendant zum grenzenlosen Egoismus als enorm wichtig. Müsste man nicht gerade im Angesicht einer Bedrohung der eigenen Existenz fürchten, dass es zu einem Krieg jeder gegen jeden kommt? Der Autor zeigt eindrücklich, dass es nicht zwangsläufig sein muss. Der Wal wird zum Symbol dieses Überlebens durch soziales Handeln, dessen Grundfesten John Ironmonger postuliert. Als der Wal erneut angespült wird, wächst die kleine Gemeinde förmlich über sich hinaus. Als Leser ist man fasziniert von diesem Verhalten und den Prinzipien der Dorfbewohner und kann der Aussage des Klappentextes nur zustimmen, dass einem dieses Buch "den Glauben an die Menschheit" zurückgibt.