Hoffnung in die Menschheit stärken

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scarletta Avatar

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Joe Haak wird an einem Spätsommerabend nackt an den Strand des verschlafenen Dörfchens  St. Piran in Cornwall geschwemmt. Rasch tun sich zufällige Beobachter - ein Strandgutsammler, eine Krankenschwester, ein Fischer, ein Schriftsteller und eine junge Frau, die ihren Hund ausführt, - zusammen, um den völlig unterkühlten fremden jungen Mann zu retten.

Der Finnwal, der kurz darauf in der Bucht zu sehen war, strandet am Folgetag. Es ist gerade dieser, dem Ertrinkungstod entkommene Joe Haak, der den Wal durch sein engagiertes Eingreifen rettet. Ihm gelingt es, als niemand weiß, was zu tun sei, die Schaulustigen aus dem kleinen 300-Seelen-Dorf zu einer gemeinsamen Rettungsaktion zu motivieren.

Dieses kleine Wunder verknüpft die Schicksale von Joe und dem Wal. Gleichzeitig schließen die Dorfbewohner Joe in ihr Herz. Was für eine einzigartige und eigentümliche Gemeinschaft empfängt den Fremden: so beispielsweise die Krankenschwester aus Senegal mit der schönen Singstimme, der knickerige pensionierte Arzt, der Joe gleich ein Heim anbietet, die einfühlsame Lehrerin der Zwergschule, der unnachgiebige Pfarrer und seine flatterhafte junge Frau.

Niemand aus dem Dorf weiß, dass Joe Haak  bislang ein gänzlich anderes  Leben  in der City von London gewöhnt gewesen ist. Er arbeitete als  Analyst bei einer Investment-Bank. Als Fachmann, der das Geschehen an der Börse und auf den Finanzmärkten beobachtete und analysierte, hat er sehr gut verdient. Details seines früheren Lebens werden in kurzen Rückblicken erzählt. Im Rahmen seines Job hat er nach mehrjähriger Forschung das spezielle Computer Programm 'Cassie' entwickelt, das das Auf und Ab der Finanzmärkte sehr zuverlässig vorhersagen kann und seiner Firma große Gewinne ermöglicht. Doch dann macht 'Cassie' einen Fehler und Joe flieht vor den drohenden Folgen.

Nachdem Joe die Prognosen erweitert hat, prognostiziert 'Cassie' einen bevorstehenden globalen Kollaps, der sich nicht nur auf die Finanzmärkte, sondern auf die ganze Zivilisation auswirken kann. Nun befindet sich Joe nicht mehr auf einer Flucht, sondern auf einer Mission.

Das abgelegene Dorf, in dem Joe nun „gestrandet“ ist, pflegt einen ganz anderen Rhythmus als Joe ihn kennt und hat auch kein großes Interesse am Weltgeschehen. Mittlerweile ist Joe Haak einer von ihnen und  hat jetzt nur noch ein Ziel: die Einwohner von St. Piran vor der kommenden Katastrophe zu bewahren.

Doch – ist die prognostizierte Gefahr wirklich real? Kann Joe das Dorf davon überzeugen, sich zu bevorraten und vollkommen von der Außenwelt abzukoppeln? Und was passiert mit dem Wal, der immer wieder in der Nähe der Bucht gesichtet wird?

Fazit
Der Roman von John Ironmonger liegt etwas abseits der üblichen Dystopien oder postapokalyptischen Geschichten. Er hat seinen ganz eigenen speziellen Charakter.

Zum einen greift Ironmonger schon auf dem wunderschönen Cover zum biblischen Bild von Jonas und dem Walfisch. Zum anderen verleiht er seinem Buch durch den ganz direkten Bezug auf Thomas Hobbes‘ Leviathan eine philosophische Tiefe.

Sehr liebevoll entwirft er die ganz eigenen Charaktere, die das kleine Dorf bevölkern. Im Kontrast dazu führt der Autor seiner Leserschaft vor Augen, wie weit es die Menschen mit ihrer rücksichtslosen Lebensweise und der Natur zerstörenden Wirtschaft gebracht haben. Die Wahrscheinlichkeit einer globalen Katastrophe in der nahen Zukunft ist in unserer Realität von vornherein nicht gering, auch wenn wir das gern übersehen möchten. Das Szenario, das entworfen wird, ist sehr lebensnah.

Der Autor hat seine Geschichte sehr klug konstruiert. Er konzentriert sich auf die Auswirkungen, die das große System der Gesellschaft auf das ganz kleine System hat. Doch anstatt auf Panikstimmung vertieft er den Blick auf die menschliche Natur.

Der Schwerpunkt der Geschichte liegt auf dem Faktor, den das Computerprogramm 'Cassie' eben nicht berechnen kann. Für 'Cassie' bleiben das humanitäre Verhalten, das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Verbundenheit von menschlichen Gemeinschaften, wie auch der mitmenschliche Einsatz Einzelner nicht vorhersehbar. So wird mit Joe Haak und den Dorfbewohnern von St. Piran gezeigt, wie eine kleine Gemeinschaft auf eine globale Katastrophe mit Widerstandsfähigkeit, Miteinander und Menschlichkeit reagieren kann.

Beim Lesen kommt man ins Nachdenken über die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Die poetische Erzählweise nimmt die Schwere von diesem Thema und greift es ganz neu.

Mir hat besonders gefallen, wie dargestellt wird, dass ein einzelnes Ereignis das Weltgeschehen in dramatische Krisen stürzen kann - aber dass das humanitäre und politische Engagement einzelner Menschen andere Menschen beeinflussen, überzeugen, aktivieren und die Entwicklung in andere Bahnen lenken kann.

Es ist ein Buch, das die Hoffnung in die Menschheit stärken möchte.

Absolute Leseempfehlung!