St. Piran probt den Weltuntergang

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
kuddel Avatar

Von

Eines Morgens wird der Bankanalyst Joe Haak nackt an den Strand von St. Piran in Cornwall gespült. Ein Finnwal hat den Lebensmüden zurückgeschubst, der anschließend von den Dorfbewohnern aufgepäppelt wird. Bei einem Strandspaziergang findet Joe eben diesen Wal. Er mobilisiert die 300 Seelen des Dorfes und gemeinsam schaffen sie den gestrandeten Wal zurück ins Meer. Dieses Erlebnis schweißt die Gemeinschaft zusammen und Joe bleibt vorerst im Dorf. In eingestreuten Rückblenden wird Joes Vorgeschichte in Bruchstücken nach und nach erzählt, so dass man sich erschließen kann, warum er in St. Piran gestrandet ist, wieso er bleibt und weswegen er seine Ersparnisse in Lebensmitteln anlegt, mit denen er den ganzen Kirchturm vollstopft. Ab und an kommen auch Sequenzen aus der Zukunft, die offenlegen, dass man den Enkelkindern noch immer von den Ereignissen erzählt, dass Joe und der Wal sogar einen Festtag haben.
Die Geschichte hat teilweise einen philosophischen Anstrich, der jedoch mit einem lockeren Erzählstil kombiniert wurde, so dass man gut zuhören kann. Johann von Bülow hat das Ganze sehr gut eingelesen und den unterschiedlichen Protagonisten mit unterschiedlichen Stimmlagen Charakter eingehaucht.
Ein märchenhafter Stil kommt hin und wieder durch, dennoch wurden vielfältige Themen mit hineingenommen und gut verarbeitet.
Obwohl es um den Weltuntergang geht, ist es keine Dystopie, ein bisschen Wirtschaftskunde und Bankwesen wurden eingearbeitet, und wie die Hierarchien dort funktionieren klingt an. Über eine zweiwöchigen Quarantäne Joes mit einem Pastor werden biblische Themen und Anschauungen in das Geschehen eingeflochten. Liebe, Freundschaft, Hass, Manipulation und andere menschliche Regungen werden thematisiert, doch die Dorfbewohnen kommen in den schlimmsten Situationen gut miteinander aus und sind füreinander da. Dem Egoismus geschuldete Verfehlungen in Krisensituationen kommen nicht vor und die liebenswerte Naivität der Dorfbewohner zeigt sich immer wieder, wenn sei von Fremden bestohlen werden, Schutzmaßnahmen werden nicht ergriffen.
Die meisten Handlungen/Entwicklungen waren nicht unbedingt nachvollziehbar oder logisch, aber darum ging es dem Autor wohl auch nicht, eher um die Anlage einer Parabel über das Leben in Ausnahmesituationen, ein Apell, das Mitmenschlichkeit ein möglicher Weg ist, mit dem man gewinnen kann und dass man gemeinsam mehr erreicht als allein. Die Krankenschwester Aminata fasst dies sehr schön mit einem Sprichwort aus Senegal zusammen: „Alleinsein ist niemals gut, aber wenn du wirklich allein sein musst, dann sei mit einem Freund allein“. Soweit gefiel mir das originelle Buch sehr gut, leider hat ausgerechnet das Happy End den guten Eindruck kaputt gemacht. Das war einfach eine Nummer zu dick aufgetragen, Schade drum.
Dennoch vergebe ich hier gerne vier von fünf Sternen und bin mir sicher, dass ich in dieses Buch immer mal wieder reinhören werde, um St. Prion und seine liebenswerten, schrulligen Bewohner zu besuchen. Johann von Bülows Stimme transportiert die einzelnen Personen, aber auch die Zitate und Methapern sehr glaubhaft und lebendig, so dass man ihm gerne zuhört.