Starke Bilder, die lange im Gedächtnis bleiben

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girdie Avatar

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Der Prolog des Romans „Der Wal und das Ende der Welt“ von John Ironmanger macht neugierig. Der Autor schildert darin in der Retrospektive vergangene Ereignisse an einem unbezifferten Tag im Herbst an dem sowohl ein nackter Mann am Strand des kleinen Dorfs St. Piran in Cornwall aufgefunden wurde als auch ein Finnwal eben dort gestrandet war. Alljährlich wird bis heute oder morgen – denn es ist nicht klar, in welchem Jahr wir uns befinden - am ersten Weihnachtstag im Gedenken daran ein großes Walfest gefeiert. Nach dem Lesen der Einleitung war ich natürlich gespannt darauf zu erfahren, was damals passiert ist. Erst später wurde mir bewusst, dass John Ironmanger dem Leser hier bereits Hoffnung auf ein gutes Ende seiner Geschichte mit auf den Weg gegeben hat, denn es ist eine erschreckende Dystopie, die er im folgenden aufzeigt.

Joe, 30 Jahre alt, ist Analyst bei einer Bank in London. Seine Abteilung setzt auf fallende Kurse, die sich aus einer Reaktion auf eine bestimmte Krise ergeben. Nur kurze Zeit nachdem er am Strand von St. Pirans aufgefunden wurde, mobilisiert er genügend Bewohner des Orts dazu, sich mit aller Kraft gemeinsam dafür einzusetzen, dass der gestrandete Wal zurück ins Meer findet. Das 300 Seelen-Dorf ist nur über eine versteckt zu erreichende, einzige schmale Straße zu erreichen. Joe erfährt hier einen Zusammenhalt der Einwohner, wie er sie sich vorher kaum vorstellen konnte. Und dann erinnert er sich wieder an den Grund seines Besuchs in St. Piran, der mit dem von ihm berufsmäßig bedienten Softwareprogramms zusammenhängt und ein Horrorszenarium vorausgesagte.

John Ironmanager zeigt uns als Leser auf eine ganz eigene Weise auf, wie viel Bedeutung heute dem Wissen zukommt, dass wir durch Auswertungen von Daten erhalten, die wir online erfasst haben. Die Vielfältigkeit der Möglichkeiten wie beispielsweise der Textanalyse von Tagesnachrichten beeindruckt. Doch können wir uns auf statistische Mittel, die aus einer großen Menge gleichartigen Verhaltens als Reaktion auf bestimmte Ereignisse eine potentielle zukünftige Handlung vorhersagen, grundsätzlich verlassen? Ist Menschlichkeit vorhersagbar? Der Beginn der Geschichte ist beängstigend als genau das eintrifft, was Joe erwartet hat. Die Entwicklung kam mir bekannt vor, denn genau wie ich sollte jeder Leser bereits von der Gefährlichkeit eines Grippeerregers gehört haben. Ich empfand den weiteren Ablauf und die Zusammenhänge als überaus realistisch dargestellt, was mich sehr beunruhigte. John Ironmonger kreiert verschiedenste Charaktere, die gemeinsam eine Dorfgemeinschaft abbilden mit Figuren wie sie in unserer Vorstellung dazugehören.

In seinem Roman „Der Wal und das Ende der Welt“ schafft John Ironmonger starke Bilder, die lange im Gedächtnis bleiben. Er schneidet einige Themen an, allem voran die Möglichkeit der Vorhersage menschlichen Verhaltens, die mich als Leser zum Nachdenken brachten. Welche Bedeutung dem Wal in der Geschichte zukommt sollte jeder selbst herausfinden, indem er das Buch liest, denn gerne empfehle ich es uneingeschränkt weiter.