Trotz aller Berechnungen - der Mensch bleibt unberechenbar

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"Die Sache ist die: Wir müssen nicht wissen, was ein Mensch tun würde. Wir müssen wissen, was hundert Menschen tun würden."

Als an der Küste von St. Piran ein Wal auftaucht, erscheint das den Bewohnern wie ein böses Omen. Und dann wird am gleichen Tag auch noch ein nackter Mann angespült, der weiß, wie alles auf der Welt zusammenhängt. Sein Computerprogramm hat den Weltuntergang vorhergesagt, und nun setzt er alles daran, sein neues Zuhause vor einem grausamen Schicksal zu bewahren. Doch was weder er noch sein Programm berücksichtigt haben, ist die Menschlichkeit der Menschen.

Der Klappentext hat mich völlig ratlos zurückgelassen, und ich habe viel erwartet, jedoch keine apokalyptische Geschichte, in der die Ölversorgung zusammenbricht und eine Grippepandemie die Welt lahmlegt. Joe ist der Mann, der das alles vorhergesagt hat, und deshalb ist er auch bestens darauf vorbereitet, als die moderne Zivilisation zusammenbricht.

John Ironmonger erzählt in "Der Wal und das Ende der Welt" ein modernes Märchen. Das äußert sich im schnellen Fortgang der Geschichte, in den sprunghaften Entwicklungen, den flachen Charakteren, die eher als Kollektiv denn als Individuen wahrzunehmen sind, in den leicht oberflächlichen Erkenntnissen zum Thema Liebe und der dazugehörigen unglücklichen/glücklichen Liebesgeschichte, dem allwissenden und weisen "König" Lew Kaufmann, und nicht zuletzt in der Allegorie Wal -Welt. Doch merkwürdigerweise macht genau das den Zauber dieses Buches aus. Ironmonger schafft es tatsächlich, mit seiner äußerst authentischen Geschichte vom Weltuntergang Beklemmung und Angst auszulösen, da dieses Szenario einfach wahnsinnig gut vorstellbar ist. Doch er schafft es genauso, Hoffnung zu machen und den Glauben an die Menschlichkeit wiederherzustellen. Besonders die Gespräche zwischen Joe und seinem Chef Lew Kaufmann haben mir in diese Hinsicht sehr gefallen.

"Der Wal und das Ende der Welt" war ein unaufgeregtes, aber dennoch spannendes Buch, das bei uns im Hause für einigen Gesprächsstoff gesorgt hat. Es lässt sich flott lesen, sollte aber als Geschichte per se, als eine Art Märchen aufgefasst werden, da sonst die Figurenzeichnung und der Plot etwas zu oberflächlich wirken würden. Von mir eine uneingeschränkte Leseempfehlung für alle, die ein paar schöne Stunden verleben wollen, aber auch für jeden, der sich auf ein mögliches Ende der Welt vorbereiten will.