Zusammenhänge erkennen.

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mademoiselle_leni Avatar

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Handlung
Joe Haak ist Analyst bei Lew Kaufmann, einer Londoner Bank. Sein Job besteht hauptsächlich darin, die Zusammenhänge von Allem mit Allem zu erkennen und mögliche Zusammenbrüche des Systems vorherzusagen. Nachdem Joe beruflich ein scheinbar schwerwiegender Fehler unterläuft, verschwindet er aus London und landet schließlich nackt am Strand von St. Piran; genauso wie der Finnwal, der am gleichen Tag angespült wird.
Irgendwie gelingt es Joe, obwohl fremd, die Bewohner des kleinen Dörfchens zu mobilisieren und den Wal zurück ins Meer zu befördern – und damit ein Teil der Gemeinschaft zu werden.
Schnell stellt sich heraus, dass ein weit größeres Problem als der Wal auf Joe und die Anderen wartet, eine Katastrophe rollt auf sie zu. Welche Faktoren haben zu dieser Katastrophe geführt? Wie verhalten sich die Dorfbewohner in dieser Situation? Kann Joe Schlimmeres verhindern?

Gestaltung
Das Buchcover hat mich sofort angesprochen, denn es ist ganz fantastisch gestaltet. Es erinnert mich ein wenig an die Bücher, die ich als Kind bei meinem Opa bewundern durfte. Generell präsentiert sich das Buch sehr liebevoll und detailreich.

Akteure
Viele der Dorfbewohner spielen nur am Rande eine Rolle und dementsprechend werden ihre Charaktere, wenn überhaupt, nur an der Oberfläche angekratzt. Über ein paar erfährt der Leser aber ein bisschen mehr, so über Polly, die Frau des Dorfpfarrers oder Mallory Books, den Arzt im Ruhestand oder auch die Schriftstellerin Demelza. Im Grunde wären sie aber alle austauschbar gewesen (abgesehen von Joe). Dies tut der Geschichte jedoch keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Es geht hier nämlich weniger um einzelne Akteure, der Roman handelt vielmehr von gesellschaftlichen Strukturen, deren Zusammenbruch und dem Umgang der Menschen mit diesem.

Fazit
Es gibt Situationen im Leben, da möchten wir am Liebsten davonlaufen, und genau das hat Joe auch jedes Mal getan, wenn es für ihn unangenehm und schwierig wurde. Doch dieses Mal ist alles anders, er übernimmt nicht nur für sich selbst und seine Handlungen endlich die Verantwortung, sondern gleich für ein ganzes Dorf.
Super finde ich, gerade als Soziologin, dass immer wieder Bezug zu Hobbes genommen und dessen These im Endeffekt durch die kollektive Nächstenliebe eines ganzen Dorfes widerlegt wird. Ein grandioser Roman darüber, dass die Menschheit doch nicht so verkommen und von Egoismus geprägt ist, wie es hin und wieder den Anschein hat. Ironmonger spricht aber nicht nur gesellschaftliche Strukturen an, sondern nimmt auch Bezug auf Themen wie Globalisierung, und (biologische) Katastrophen.
Trotz der verschiedenen Katastrophen-Faktoren, die hier zusammentreffen, wurde nie der Eindruck von Endzeitstimmung vermittelt. Was wohl erheblich daran liegt, dass nur durch die Kombination der verschiedenen Faktoren – Vorkehrungen durch Joe, Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft etc. - die Dorfbewohner vergleichsweise entspannt auftreten konnten und dementsprechend eben keine Panik und keine „Jeder gegen Jeden“-Mentalität entstehen konnte. Wäre einer der Faktoren weggefallen, hätte dies schon ganz anders aussehen können.

„Der Wal und das Ende der Welt“ kann ich schon jetzt zu meinen Favoriten dieses Jahres zählen und spreche hier eine klare Kaufempfehlung aus!