Herausragende Figurenarbeit, aber mehr war möglich (und nötig)

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hannahreads Avatar

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Birnam Wood spielt eine integrale Rolle im Untergang von Shakespeares Titelhelden Macbeth und ist der Originaltitel von Eleanor Cattons Roman, der im Deutschen nur Der Wald heiß und von Melanie Barth und Melanie Walz übersetzt wurde. Cattons Birnam Woods ist ein anarchischer Zusammenschluss von Gärtnern und Umweltaktivistinnen in Neuseeland, die durch einen Zufall auf eine verlassene Farm stoßen, die perfekt für ihre Pflanzen wäre. Doch auch ein Tech-Milliardär hat einen Blick auf das Land und seine Bodenschätze geworfen. Aus diesen (und noch einigen anderen) Parteien spinnt sich eine Öko-Thriller Handlung, die sich nicht scheut Elemente aus Shakespeares Drama zu entlehnen.
Catton kann schreiben. Ihre Figuren haben ein tiefes und oft kompliziertes Innenleben, an dem sie uns teilhaben lässt. Nicht immer sind sie dabei sympathisch, aber sie unterliegen einer tiefen Logik, die dafür sorgt, dass alle Figuren authentisch und faszinierend sind. (Bis auf Tony, der mir in Akt 1 so gegen den Strich ging, dass er sich in Akt 2 und 3 nicht mehr retten konnte). Aber Der Wald hat auch große Probleme mit seinem Pacing. Der Roman zieht sich über Seiten und nimmt erst auf den letzten Seiten überhaupt an Spannung auf. Catton will eine Aktstruktur in ihren Roman und seine Handlung übernehmen, aber sie schafft es nicht, das Format mit genug Kraft zu füllen. Ich bin hin und her gerissen, ob ich Fan davon bin, wie Catton sich Macbeth und Shakespeares als Vorbild nimmt, oder ob ich es zu prätentiös und schlussendlich auch zu hoch gegriffen finde.
Zurück bleibt ein eher mittelmäßiges Leseerlebnis, das mehr Potential hatte. Die ersten und letzten 50 Seiten sind Beweis, dass Catton die richtige Idee und das Schreibtalente hatte.