Überlebenskampf

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brianna Avatar

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Das Cover schreit förmlich nach Aufmerksamkeit- schon die Graphik verheißt Unheil. Die Farbgestaltung ist in Schwarz, Weiß, Gold deutet es an: nichts ist so, wie es scheint. Die goldenen Schatten des Waldes ergeben seinen geheimen Wert, die nun erkennbare Drohne spielt eine wichtige Rolle in diesem Ökothriller.

Neuseeland, 2017. Mira und Shelley gehören seit Jahren einer sogenannten Guerilla-Gardening-Gruppe namens "Birnam Wood" (die Parallele zu Macbeth ist beabsichtigt) an, sind sich jedoch zunehmend uneinig, was dessen Zukunft betrifft. Zu ihnen gehört auch das frühere Mitglied Tony (nach 4 Jahren aus Mexiko zurück), der sich durch wahren, ehrlichen Journalismus von seinen unverdienten Privilegien (weiß, westlich, jung, gebildet, "reich") befreien will.

Gegenpol dieser linksradikalen, idealisierten "Weltverbesserer" ist der charismatische, amerikanische Drohnen-Techmogul, Milliardär und Apokalysen-Prepper Robert, der alles unter Kontrolle und für jedes Problem eine Lösung zu haben scheint.
Oder doch nicht?

Radikales Aktivismus-Gärtnern im Kontrast zu Immobilienspekulationen, Weltuntergangsstimmung, Arm-gegen-Reich (soziale Gerechtigkeit) und dazu all die zwischenmenschlichen Beziehungen- Autorin Eleanor Catton hat sich hier einen Plot ausgedacht, der bereits filmreif ist (ihre Erfahrung als Drehbuchautorin ist deutlich spürbar) und durch ihr Vermögen, eine Atmosphäre der Ungewissheit und der Gefahr zu kreieren, entfaltet sich ihre Geschichte mit einer hohen Spannung, unerwarteten Wendungen und einiger (moralischen) Grundsatzfragen, die weit über die persönliche Integrität der Figuren hinausgehen.

Der Schreibstil ist zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig, das ändert sich aber zunehmend und wird dann bildhafter und eindringlicher.
Zudem fesselt die Geschichte, sodaß der Lesefluß schnell gegeben war.
Die Charaktere wurden sehr detailliert dargestellt, Rückblenden in Kindheitserinnerungen machten die Figuren glaubwürdiger und gaben ihnen Tiefe.

Nun zur Kritik:
Der deutsche Titel "Der Wald" wirft im Gegensatz zum Originaltitel "Birnam Wood" einige Fragen auf, die unnötig erscheinen.
Wenn Jill Darvish = Lady Darvish sich gedanklich mit ihrem Mann beschäftigt, nennt sie ihn "Sir Owen"- welche Ehefrau würde das nach 30 Jahren tun? Selbst, wenn man sich über die Erhebung in den Adelsstand freut versus lustig macht?
("Sir Owen hatte sich... gewünscht/ Warum war Sir Owen in der Nacht... hochgefahren?/ ... hatte Sir Owen versehentlich sein Handy dort liegen lassen, ... / Sir Owen mußte die E-Mail gelöscht haben.")

Fazit:
Der vorliegende Roman von Eleanor Catton "Der Wald" ist nicht nur ein extrem spannender Ökothriller, sondern auch ein tiefgründiger Blick auf die Komplexität menschlicher Beziehungen. Inmitten von Machtdarstellung, Intrigen und Moralfragen kommt die Frage nach Loyalität, persönlicher Überzeugungen und Vertrauen auf.
Ein sehr unterhaltsames Vergnügen, bei dem nichts und niemand so ist, wie es/ er auf den ersten Blick scheint.