Unecht und aufgesetzt

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holdesschaf Avatar

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Maries Mutter macht einfach die besten Sandwiches in total gesunden und kreativen Geschmacksrichtungen. Das findet auch Maries Mädchen-Clique. Als dann aber zum wiederholten Mal das Supersandwich gestohlen wird, ist Marie sauer und verlangt vom Lehrer die Aufklärung der Diebstähle. Doch der kann nichts tun. Dann gerät Konrad aus der Klasse in Verdacht. Er ist noch nicht so lange in der Klasse und obwohl er nichts zugibt, wird er zum Schuldigen auserkoren. Nur Mika äußert Zweifel und als die Situation eskaliert, beschließen die Kinder, eine Gerichtsverhandlung abzuhalten.

Eigentlich klingt die Handlung des Buches ganz gut. Jemand wird beschuldigt eine Straftat begangen zu haben, doch es gibt kaum Beweise uns so soll ein gerechter Prozess für Ordnung sorgen. Soweit, so gut. Das Cover zeigt auch schon ein großes Problem, dass es bei solchen Konflikten im Klassenzimmer gibt. Jeder meint, er könne irgendwie mitreden und so kommen schnell Gerüchte auf. Das gibt es natürlich gerade im schulischen Umfeld täglich. Was mich aber gleich von Anfang an stört sind gewisse Klischees, die hier noch extra überzogen dargestellt sind. Maries Clique zum Beispiel, die sich nicht etwa wegen verschiedener Dinge abspricht, nein, die anderen Mädchen warten, bis Marie ihnen eine Ansage macht. Ganz so wie die ätzenden cool Kids in diversen Highschool-Filmen. Es gibt noch den Stillen in der Klasse, den Vorlauten, dessen Vater zufällig Polizist ist und der dann die Rolle des Ermittlers übernimmt, den armen Referendar, der im Sportunterricht nicht das unterrichten darf, was er will, den Lehrer, den die Diebstähle eh kaum kümmern. Überhaupt kommt das Milieu Schule in dem Buch meiner Meinung nach ganz schlecht weg. Ein wenig Kritik am Schulsystem ist durchaus berechtigt, aber hier wird schon ganz schön übertrieben und das sage ich als Lehrkraft. Vor allem sind alle Behauptungen genauso platt, wie die Vorverurteilung des vermeintlich Schuldigen später.

Durchweg hatte ich das Gefühl, dass die Kinder sich nicht entscheiden können, zwischen ihrem Dasein als kleine Einsteins und ihrer Vorliebe für Vorurteile, schlechtes Benehmen und Überheblichkeit. Da meint der eine Sechsklässler "Sport ist wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung und Selbstwirksamkeitserfahrung". Ja, klar! So reden meine Schüler auch täglich. Hingegen hat keiner ein Problem damit ein Foto des vorverurteilten Konrad nicht nur weiterzuleiten, sondern vorher auch noch per Bildbearbeitung ins Lächerliche zu ziehen. Dass das Verboten ist, wissen bei uns alle Schüler. Als sie Konrad an einem Schulranzen erwischen lassen sie ihn auch sofort gehen. Erst viel später verprügeln sie ihn, bis die geschädigte dazwischen geht. Es passt einfach nicht. Der Lehrer kommt vollkommen inkompetent rüber. Zuerst ist er dauernd krank, dann will er mit dem Smartboard arbeiten, weiß aber nicht, dass das schon ewig kaputt ist und hat auch außer dem Online-Quiz nichts Anderes vorbereitet. Am nächsten Tag versucht er es mit dem Laptop, aber dann ist der Akku leer und das Netzteil ist nicht auffindbar... und so geht es weiter. Der Referendar darf die Kinder im Unterricht nicht Fußball spielen lassen - zu kompetitiv! Und die Vertretung der Vertretung ist eine ehemalige Fußpflegerin, die nun als Quereinsteigerin Bio unterrichtet. Viel zu übertrieben, zu geballt und wenig glaubwürdig, was sich Juli Zeh und Elisa Hoven hier zusammenreimen. Auch nicht authentisch, weil das einzige Mädchen mit Migrationshintergrund in der Klasse natürlich erstklassig Deutsch spricht, weil es auf einer deutschen Schule war. Dabei hatten alle sich schon in ihren Köpfen zurechtgelegt, dass sie nichts versteht. So könnte man ewig weitermachen. Die Gerichtsverhandlung ist zwar ziemlich witzig, aber auch hier wurde ich nicht überzeugt. Zudem kann sich ein schlaues Kind doch schon nach ein paar Seiten ausmalen, wer die Pausenbrote, pardon Supersandwiches, gemopst hat.

Während der Handlung löst sich nicht nur das Problem Diebstahl, sondern es werden auch alle Missstände unter den Kindern gelöst. Sogar Marie traut sich ihrer Mutter ein Geständnis zu machen. Das ist doch schön. Was man dem Buch allerdings zugute halten kann, sind die ansprechenden Illustrationen und vor allem das Kapitel "Nachgefragt" nach der eigentlichen Geschichte. Hier werden viele Fragen zum Strafverfahren wirklich kindgerecht beantwortet, Begriffe geklärt und voneinander abgegrenzt und wirklich wichtige Dinge vermittelt. Mit einem Sachbuch zum Thema wären die beiden Autorinnen meines Erachtens besser gefahren. Von dieser unechten und aufgesetzten Geschichte bin ich mehr als enttäuscht, hatte ich mir doch eine gute Lektüre zum Thema für den Unterricht erhofft. Das wird aber leider nichts. 2 Sterne