Ein fesselnder Psychothriller/ Spannungsroman mit Schwächen

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helena Avatar

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Das Hörbuch wird von Ann-Kathrin Hinz gelesen. Ihre Stimme fand ich sehr angenehm. Dennoch gab es für mich einige Einschränkungen – dazu später mehr.

Julia hatte seit Monaten keinen Kontakt mehr zu ihrer besten Freundin Nikki. In letzter Zeit war sie vor allem mit ihrem Verlobten Lars beschäftigt, den sie bald heiraten wollte. Umso überraschender war es, als Nikki sie kurz vor der Hochzeit spontan zu einem Wandertrip in die schwedischen Berge einlädt. Julia sagt zu, und die beiden Frauen machen sich auf den Weg. Es ist Herbst, das Wetter ist bereits kühl und Stürme sind angekündigt. Dennoch lassen sie sich, leichtsinnigerweise, nicht abschrecken und beginnen ihre Wanderung, sogar abseits der markierten Wege, um ganz in der Natur aufzugehen.

Von Anfang an wirkt Nikki sehr verschlossen, was Julia irritiert. Doch bevor sie Klarheit gewinnen kann, verschwindet Nikki spurlos in einer Nacht und Julia bleibt allein zurück. Die Natur ist rau, dichter Nebel verschleiert die Sicht, das Unwetter tobt und (gefährliche) Wildtiere sind unterwegs. Julia erlebt viele Missgeschicke, verliert ihre Orientierung, ihre Ausrüstung, das Proviant, ihr Handy und verletzt sich schließlich auch noch. Verzweifelt sucht sie Nikki und versucht sich am Leben zu erhalten.

Parallel dazu erfährt man in Rückblenden mehr über den Beginn der Freundschaft zwischen Julia und Nikki sowie über Julias Beziehung zu Lars. Im Hörbuch wird nicht immer klar, aus wessen Perspektive gerade erzählt wird, hier weiß ich nicht, ob es im Buch gesondert gekennzeichnet wird. Ich begann mich zu fragen, ob die Wahrnehmung der Figuren noch zuverlässig ist und wurde jeder der Figuren gegenüber misstrauisch. Auf jeden Fall war dies ein gelungener Spannungsfaktor.

Während der detaillierten Schilderungen von Julias Irrwegen und ihrem Überlebenskampf in der schwedischen Berglandschaft wartete ich stets gespannt auf die Rückblenden, da ich sehr neugierig auf die Hintergründe und vor allem auf die Gründe für Nikkis Verhalten war. Die Atmosphäre wird hier stellenweise düster und durchaus gruselig – hier zeigt sich der Psychothriller-Charakter. Einige Szenen konnten mich berühren in ihrer Traurigkeit und Tragik. Es kommt zu mehreren teils unerwarteten Wendungen.

Leider konnte dieser Spannungsbogen jedoch nicht durchgängig gehalten werden. An einem Punkt stieg ich aus der Geschichte aus. Es ging um ein Missverständnis, was mit einem Satz einfach hätte geklärt werden können, jedoch nicht wurde. Dadurch verlor die Geschichte für mich an Kraft und Glaubwürdigkeit. Nach einem emotionalen Höhepunkt flachte die Handlung gegen Ende dann merklich ab und kam für mich nicht mehr richtig in Fahrt. Hier hätte ich mir eine andere Struktur/ Komposition gewünscht. Hinzu kam, dass mich die beiden Frauen zunehmend nervten. Sie wirkten oft naiv, unsicher und handlungsunfähig. Die Sprecherin hat dies zum Text passend umgesetzt, indem sie einige Passagen mit zitternder, kläglicher Stimme sprach, was mich irgendwann wirklich nervte. Gerade bei Figuren, die regelmäßig in der Wildnis wandern, erwarte ich doch eine gewisse innere Stärke.

Fazit: Obwohl mich die Charaktere und auch die Handlung nicht vollständig überzeugen konnten, habe ich das Hörbuch gern gehört und es konnte mich über weite Strecken fesseln, an einigen Stellen beeindrucken und berühren.