Unvorhersehbarer Wendland-Krimi

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«Der Wolf im Dunklen Wald» ist der zweite Band der Wendland-Krimi-Reihe um die Ermittlerin Carla Seidel der Kripo Lüneburg, geschrieben von Sia Piontek. Diesmal geht der Blick über die Grenzen des Wendlands hinaus nach Sachsen-Anhalt und Hamburg und es geht um ein einen brutalen Mord bei einer Drückjagd im Dragahner Forst. Die Ermittlungen im Umfeld des Opfers führen Carla und ihren Kollegen Lars in die höheren Kreise der Gesellschaft und es tun sich vielversprechende Spuren auf, die verfolgt werden müssen. Welche der Spuren und Motive zum Täter führen, bleibt wendungsreich und unvorhersehbar. Die Ermittlungen gestalten sich spannend und unterhaltsam, während immer wieder Carls Privatleben in den Mittelpunkt gerückt wird.

Erzählerisch ist man ganz nah an Carla und ihrer Tochter, deren Sichtweise kapitelweise wechselt: Carla Seidel als ehrgeizige Ermittlerin, als Mutter einer Teenagerin und Opfer häuslicher Gewalt mit einem Alkoholsucht. Carlas Tochter Lana, eine sensible 17-jährige mit „energetischen Facetten“, die sich Kontakt zu ihrem Vater wünscht und einen Crush auf einen Jungen hat, dessen Vater in den Fall verwickelt ist. Das sorgt für Zündstoff zwischen den beiden und führt dazu, dass Carla in alte Muster verfällt und ihre Tochter in fallrelevante Details einweiht.

Die Flashbacks von Carlas Trauma sind schockierend und man entwickelt Mitgefühl und Verständnis für diese traumatisierte Frau, die sich ein Kontaktverbot erkämpft hat und nun mit dem Wunsch ihrer Tochter konfrontiert ist, mit der Volljährigkeit wieder Kontakt zum Vater aufzunehmen. Das Unverständnis ihrer Tochter für die Opferrolle der Mutter ist schmerzhaft und komplex. Das reist alte Wunden auf und schürt große Ängste um das Wohlergehen ihrer Tochter. Zwischen all diesen aufreibenden Themen gibt es auch hoffnungsvolle Momente, die von dem Charme des Wendlands und der Altmark geprägt sind. Das ist kein Wohlfühl-Krimi, stattdessen orientieren sich die Ermittlungen an der Realität und sind sorgfältig recherchiert. Was mir schon im ersten Band gefallen hat, sind der angenehm flüssige Schreibstil und die nennenswerten Fakten, die Sia Piontek einstreut: Carla schaut aus dem Fenster und sieht einen Spatz. Dann weist sie darauf hin, dass dieser Vogel auf der roten Liste steht und bringt einen mit wenigen weiteren Sätzen zum Nachdenken. Diese Freude zum Detail verleiht dem Krimi mehr Tiefe. Mir hat es erneut gefallen und ich freue mich auf den dritten Band, dieser gelungenen Krimi-Reihe.