Unterhaltsame, tiefsinnige Lektüre

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heike lohr Avatar

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Schon das Buch in den Händen zu halten, war ein einmaliges Erlebnis, denn es hat für mich die beste Passform. Es ist ein Paperbackbuch, mit einer speziellen Papierart, welche die Coveroberfläche nicht glatt und nichtsagend erfühlen lässt, sondern etwas rau. Die Strukturen sind interessant und geben das Gefühl von etwas Lebendigem. Diesen Eindruck der Vitalität und der Nachdenklichkeit erweckt auch das Lesen dieses Buches. Was zuerst noch so leicht und verständlich wie ein Kinderbuch beginnt, steigert sich zu einer philosophisch-soziologischen Aussage: Die Worte werden von den Menschen nicht mehr gewertschätzt, sie missbrauchen diese nur. Nur das geschriebene Wort ist wertvoll, weil man sich dafür Zeit nehmen muss. Das kleine Wort, dessen kleiner Buchstabe sich noch etwas taub anfühlt und dass erst die Müdigkeit aus seinen beiden Silben entweichen lassen muss, geht verloren. Bevor es durch einen Menschen zusammen mit seinem Freund Zeig verweht wird, frühstückt es noch mit seinen Eltern. Der Vater bringt ein wichtiges Lebensmotto dem kleinen Wort, dessen Namen wir erst am Schluss erfahren, mit: "Das Schreiben bringt uns in unsere reinste Form, in absolute Klarheit. Beim Sprechen gehen wir in Bedeutungslosigkeit verloren." Durch das Aussprechen werden das Wort und dessen Freund Zeig getrennt und aus ihrer Lebensumgebung gerissen. Das Wort hört dann, dass sein Freund Zeig zu Geiz wurde, was ihn zwar zu einem abgeschiedenen Leben bringt, aber gleichzeitig kann Geiz reden, was Zeig nicht konnte. Vor allem wichtig an dieser Geschichte ist, wie Zeig zu Geiz wird, wenn nämlich der Anfangsbuchstabe und der Endbuchstabe ausgetauscht werden. Schon dieses (Wort-)Spiel allein macht beim Lesen Freude. Auf einmal wird es interessant, weil der Autor uns eines nicht verraten hat, dass nämlich das Wort weiblich ist. Das bemerkt man erst, als das Wort mit dem Personalpronomen "sie" ersetzt wird. Sie kommt zu einem Wortspiel, in welchem die Worte Geschichten erfinden, vorher hatte sie eine Teekesselchenparty erlebt. Alle Abenteuer finden den Abschluss im Finden des eigenen Namens und in der Begegnung mit dem Autor, der am Anfang der Geschichte sich selbst und die Geschichte schreibt, was er auch am Ende macht. Denn wenn er aufhört zu schreiben, dann gibt es weder das Wort, das in seiner Bedeutung weiblich ist noch ihn, weil keine Worte mehr darüber in dem Buch stehen. Das Nachwort möchte ich noch wörtlich zitieren, weil es den schönsten Aufruf zum Weiterschreiben darstellt, den ich kenne: "Das letzte Wort steht noch nicht geschrieben. Schicke uns Deine Geschichte aus der Welt der Sprache, und sorge dafür, dass eine Welt lebendig bleibt: www.der-wortschatz.de" Ja, das werde ich gerne machen, wenn ich etwas Zeit zum Schreiben finde und ich freue mich sehr, dieses Buch gelesen zu haben. Denn dadurch bin ich in besserer Laune und weiß, dass ich wieder zu schreiben beginnen werde.
Ach ja, die Initialen sind wunderschön ausgestaltet wie in einer mittelalterlichen Handschrift und es gibt wunderschöne Illustrationen in dem Buch, nicht zuviel und nicht zu wenig und immer an der richtigen Stelle. Meinen Glückwunsch an den Autor, das Buch erfüllt alle Erwartungen vom Schreibstil bis zur illustrativen Gestaltung.