Der erste Auschwitz-Prozess aus einer anderen Perspektive beleuchtet

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leseratte61 Avatar

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Klappentext:

Frankfurt 1963. Eva, gelernte Dolmetscherin und jüngste Tochter der Wirtsleute Bruhns, steht kurz vor ihrer Verlobung. Unvorhergesehen wird sie gebeten, bei einem Prozess die Zeugenaussagen zu übersetzen. Ihre Eltern sind, wie ihr zukünftiger Verlobter, dagegen: Es ist der erste Auschwitz-Prozess, der in der Stadt gerade vorbereitet wird. Eva, die noch nie etwas von diesem Ort gehört hat, folgt ihrem Gefühl und widersetzt sich ihrer Familie. Sie nimmt die Herausforderung an, ohne zu ahnen, dass dieser Jahrhundertprozess nicht nur das Land, sondern auch ihr eigenes Leben unwiderruflich verändern wird.

Fazit:

Der ruhige und flüssige Schreibstil passte sehr gut zu der beschriebenen Handlung.

Eva war mir als Protagonistin von Anfang an sehr sympathisch. Sie entwickelt sich während der Handlung von dem braven Mädchen zu einer selbstbewussten jungen Frau. In dieser Zeit war diese Entwicklung relativ ungewöhnlich, da sich Frauen in allen Belangen dem Mann unterzuordnen hatten. Auf dieser Basis verstehe ich ansatzweise auch das Verhalten ihres zukünftigen Verlobten, Jürgen.

Jürgen als eine der Hauptpersonen konnte ich an vielen Stellen nicht verstehen und ich habe mich häufig gefragt, was Eva und Jürgen verbindet und wie eine zukünftige Ehe verlaufen würde. Er schien mir immer wieder der falsche Partner für Eva zu sein. Ob sie heiraten? Lest selbst.

Mit Evas Eltern konnte ich mich anfangs nicht richtig anfreunden, da ich den Verdacht hatte, dass sie etwas Wichtiges in Bezug auf Auschwitz verbergen. Dieses Ablehnen des Prozesses fand ich bei den Eltern schon sehr verdächtig. Die Auflösung kommt dann auch so ähnlich, wie ich es vermutet habe.

Annegret, die Schwester von Eva, ist für mich eine typische komplexbeladene Frau dieser Zeit. Sie versucht seltsame Wege zu gehen, um gebraucht und gelobt zu werden. Für mich hat dies mit der schwarzen Nazi-Erziehung zu tun, die Kinder schon sehr früh kaputt machte. Ich kann das Verhalten von Annegret nicht gut-heißen, allerdings irgendwie verstehen.

Fakt ist für mich, dass die Kinder dieser Zeit unter der Erziehung und dem Schweigen der Eltern und Großeltern gelitten haben. Deshalb finde ich es gut, diesen Handlungsstrang um Annegret in das Buch einfließen zu lassen.
So nun zum eigentlichen Thema des Buches: die Prozesse. Die Autorin hat meiner Meinung nach sehr gute Recherche betrieben und diese in einer ansprechenden Form ihren Lesern zur Verfügung gestellt. Viele von den Aussagen der Opfer habe ich in verschiedenen Dokumenten und in Buchenwald so gelesen. Das war wirklich so schlimm. Die Umsetzung in diesem Buch hat mich tief beeindruckt.

Das Fazit im Fazit :-) : Das Schweigen aller Beteiligten dieses Krieges, ob als Soldaten, Weggucker oder als Nazi wirkt bis in unsere Generationen weiter, da wir alle die Last unserer Eltern und Großeltern weitertragen müssen. Ganz besonders hat mich mal wieder das Verhalten der Angeklagten schockiert, da sie sich immer als unschuldig sahen und ihre Taten kleinreden wollten. Auch dieses Verhalten war mir nicht unbekannt, da ich mich schon vorher mit dieser Zeit auseinander gesetzt habe.

Danke, dass ich dieses herausragende Buch lesen durfte. Von mir eine klare Leseempfehlung.