Ein Stück Zeitgeschichte

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leseratte1310 Avatar

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In ihrem Roman "Deutsches Haus" beschäftigt sich Annette Hess mit im ersten Auschwitz-Prozess, in dem die Gräueltaten, die in den Konzentrationslagern geschehen sind, aufgearbeitet und die Schuldigen verurteilt werden sollten
Das bekannte „Deutsche Haus“ in Frankfurt wird von den Wirtsleuten Bruhns betrieben. Ihre Tochter Eva ist Übersetzerin für Polnisch und soll im ersten Auschwitz-Prozess die Aussagen eines Zeugen übersetzen. Ihre Eltern sind dagegen und ihr Verlobter will ihr die Arbeit sogar verbieten. Doch Eva lässt sich nicht beirren und nimmt den Job an. Während sie beim Prozess die Zeugenaussage übersetzt, erfährt sie Ungeheuerliches. Doch dann kommen Erinnerungen zutage, die sie aber nicht einordnen kann. Sie hat Fragen, aber niemand will mit ihr über dieses Thema reden. Aber Eva will nicht, dass geschwiegen wird. Sie will den betroffenen Menschen eine stimme geben. Doch was hat sie selbst mit Auschwitz zu tun?
Es ist ein interessantes und ein wichtiges Buch. Es gab viele Menschen in Deutschland, die gegen diesen Auschwitz-Prozess in Frankfurt am Main waren. Das Wirtschaftswunder war, es ging den Menschen gut und man wollte sich nicht mehr erinnern – aus den unterschiedlichsten Gründen.
Die Autorin hat einen fesselnden Schreibstil. Damit bringt sie die Informationen über den Prozess gut und verständlich rüber. Man fühlt mit den Zeugen, die über die Gräuel berichten und ist erschüttert, wie sich die Täter herausreden und sich immer noch keiner Schuld bewusst sind.
Aber auch das Leben in den sechziger Jahren ist gut dargestellt. Ich habe diese Zeit selbst miterlebt und weiß, wie schwierig es für junge Frauen war, ein selbstbestimmtes leben zu führen. Erst bestimmten die Eltern, wo es lang ging und dann übertrugen sie die Verantwortung auf den Ehemann. Eine Frau konnte also nur mit Erlaubnis einen Beruf ausüben. Aber auch das Leben mit den Gastarbeitern und die Vorurteile sind authentisch dargestellt.
Eva ist eine sympathische junge Frau, die sich im Laufe des Prozesses sehr weiter entwickelt. Am Anfang schien sie etwas naiv, da sie noch nichts von Auschwitz gehört hatte, man muss bedenken wie viele Jahre seit Kriegsende vergangen sind. Als sie wegen ihres Jobs Gegenwind sowohl von ihren Eltern als auch von ihrem verlobten erfährt, setzt sie sich durch. Der Prozess bringt sie dazu, sich mit ihrer eigenen Familiengeschichte auseinander zu setzen.
Es ist ein Stück deutscher Geschichte, das hier behandelt wird. Es geht dabei um die Schuld der Täter und die Schuld, derer die weggesehen und geschwiegen haben. Allerdings kam für mich der Prozess etwas zu kurz. Dennoch hat mir das Buch sehr gut gefallen.