Gegen das Vergessen

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Frankfurt 1963. In Frankfurt-Bornheim in einem seriösen Teil der Berger Straße befindet sich die Gaststätte "Deutsches Haus" des Gastwirtsehepaares Bruhns. Die beiden haben zwei Töchter. Der Vater kocht, die Mutter serviert und kümmert sich um die Gäste, manchmal hilft die jüngere Tochter , Eva, aus. Eva ist von Beruf Dolmetscherin und träumt von der Hochzeit mit Jürgen, dem Sohn eines Unternehmers, um aus dem kleinbürgerlichen Milieu herauszukommen. Da bekommt sie den Auftrag, die Zeugenaussagen eines polnischen Juden zu übersetzen, einem, der Auschwitz überlebt hat. Eva ist entsetzt. Ihr fehlen die Worte, um die Zeugenaussagen zu übersetzen. Sie glaubt, den Zeugen nicht richtig zu verstehen. Da der Dolmetscher aus Polen aber keine Ausreisegenehmigung erhält, wird Eva gebeten, auch bei den anstehenden Gerichtsverhandlungen als Dolmetscherin zu fungieren. Ihre Eltern und ihr Verlobter raten ihr dringend davon ab. Aber Eva, die sich nun mit dieser Zeit auseinandergesetzt hat, fühlt sich verpflichtet, die Aufgabe zu übernehmen.

Der Autorin ist es in beispielloser Art gelungen, durch die Zeugenaussagen diese schreckliche Zeit noch einmal lebendig werden zu lassen. Bedrückend ist zu lesen, wie teilnahmslos und zynisch sich die Angeklagten verhalten, die von nichts etwas gewußt haben wollen und alle Anschuldigungen bestreiten.

Nach und nach wird Eva bewußt, daß auch ihre Eltern von dem Grauen gewußt haben mußten und sich sogar mitschuldig gemacht haben. Zur Rede gestellt, streiten sie zunächst alles ab, was zum Bruch mit der Tochter führt. Auch die Verlobung mit Jürgen löst Eva, nachdem dieser bei ihrem Vorgesetzten erreichen wollte, Eva von dieser Aufgabe zu entbinden.

Die Autorin macht deutlich, daß den jungen Menschen in den Nachkriegsjahren die Kenntnisse über die Judenverfolgung und die Massenvernichtungslager fehlten, da weder Eltern noch Lehrer in den Schulen über diese Zeit sprechen wollten. Aber durch die Prozesse und die Verhaftung der Angeklagten konnte diese Zeit nicht mehr totgeschwiegen werden.

Es ist ein Buch über schwere Schuld, die Menschen auf sich geladen haben und viele andere, die sich mitschuldig gemacht haben, indem sie weggeschaut und verleugnet haben. Zu sagen, man habe nichts gewußt, kann man nicht gelten lassen.

Der Autorin sei Dank für dieses Buch über eine Zeit, die in Deutschland nie vergessen werden darf. Auch wenn ich diese Zeit nicht miterlebt habe, packt mich tiefes Grauen vor dem, was Menschen anderen Menschen in der Lage sind, anzutun. Die Autorin bringt ihren Lesern diese Zeit wieder ins Gedächtsnis. So etwas darf nie wieder passieren. Ich wünsche dem Buch eine große Leserschar, und hierfür gebe ich meine Leseempfehlung ab.