Zeitgeschichte light

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“Deutsches Haus” heißt die Gaststätte, die die Eltern der jungen Dolmetscherin Eva in Frankfurt betreiben. Bürgerliche Küche, Gänsebraten mit Rotkohl und Klössen – es sind die fetten Jahre der jungen Bundesrepublik und nichts lässt ahnen, dass schon in wenigen Jahren auch in Frankfurt Studenten durch die Straßen ziehen und mit dem Muff der Vergangenheit ausräumen wollen. Eva, behütet, ein wenig altmodisch und frisch verlobt, liegt der Gedanke an alles revolutuionäre jedenfalls fern. Sie träumt vom sozialen Aufstieg an der Seite eines Unternehmersohns, und dass dieser von seiner Frau Unterordnung erwartet, stört sie nicht weiter.

Zufällig, ausgerechnet beim Antrittsbesuch des Freundes bei ihrer Familie, wird sie zu einem Auftrag gerufen. Normalerweise übersetzt Eva zu Wirtschaftsfragen aus dem Polnischen. Zu dem, was sie in einem Büro des Generalstaatsanwalts übersetzen soll, fehlen ihr, buchstäblich, die Worte. Hanebüchen ist das, was sie zuerst aus der Aussage eines ehemaligen Auschwitz-Häftlings macht. Und auch den Namen Auschwitz hört Eva zum ersten Mal.

Trotz des katastrophalen Auftakts – Eva wird als Dolmetscherin zum Auschwitz-Prozess hinzugezogen, der in Frankfurt zur ersten großen juristischen Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen wird. Sie übernimmt den Auftrag gegen den Willen ihrer Familie und ihres Verlobten. Während sie den Stimmen der Überlebenden vor Gericht zum Gehör verhilft, verändert sich auch die junge Frau. War sie bisher unpolitisch und passiv, drängt sie das Mitgefühl mit den Überlebenden, ihren Beitrag zur Wahrheitssuche und Aufklärung zu leisten. Bei einem Ortstermin bekommt sie ein Gespür für das ganze Ausmaß der Verbrechen. Und auch ein düsteres Familiengeheimnis wird aufgedeckt.

Die Koppelung von Familien- und Zeitgeschichte für ein breites Publikum – das war schon einst bei der Fernsehserie “Holocaust” ein Erfolgsrezept. Und genau wie damals liegt darin sowohl Stärke als auch Schwäche von “Deutsches Haus”. Denn das Buch ist so angelegt, dass es auch Menschen, die sich bisher vielleicht nicht tiefgehend mit dem Thema Auschwitz und Auschwitz-Prozess auseinandergesetzt haben, über die Konzentration auf Eva und ihre Familie einen Zugang finden. Gewissermaßen ein niederschwelliges Angebot.

Aber zugleich – ist es nicht ziemlich trivial, ein Jahrhundertverbrechen auf einen Familienroman zu verkürzen? Historische Figuren wie Fritz Bauer werden nich einmal mit Namen genannt – im Buch ist stets nur vom “Generalstaatsanwalt” die Rede, vom “Hellblonden”, der im Prozess der Leitende Staatsanwalt ist. Selbst die Holocaust-Überlebenden und ihr Zeugnis bleiben letztlich Staffage, ihre Aussagen gefiltert durch Evas Empfindungen.

Doch selbst Evas Bewusstseinswandel bleibt merkwürdig blass, ebenso die Wirkung des Prozesses auf die Öffentlichkeit, die gesellschaftliche Diskussion. Hier hätte ich mir als Leser mehr Deutlichkeit gewünscht. So aber scheint ein Weichschleier über den Ereignissen zu liegen.