weibliche Selbstermächtigung

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Auf den ersten Seiten des Buches steigen wir in das gegenwärtige Leben von Agnete (48 y/o) ein. Sie lebt in Oslo, gemeinsam mit ihrer 17-Jährigen Tochter aus erster Ehe und ihrem neuen Ehemann, welcher für mehrere Wochen einen Auslandsaufenthalt antritt.

Die Geschichte verlässt nach dem Erhalt einiger weiterer Hintergrundinfos schnell die Gegenwart und taucht in die Agnetes Vergangenheit ab – die Leserschaft wird in das Leben der 20-Jährigen Hauptfigur katapultiert. Zu dieser Zeit lebt Agnete in London und studiert an der School of Economics. Während des Studiums beginnt Agnete eine folgenschwere Affäre mit dem Vater einer Kommilitonin.

»Jetzt bin ich bereit, jetzt ergreife ich die Gelegenheit, obwohl ich nach wie vor nicht weiß, was der Anfang dieser Erzählung ist, und auch das Ende nicht kenne« (S. 14).

Was nun folgt sind einzelne Sequenzen, geschrieben in kurzen Kapiteln. Inhaltlich reichen diese Sequenzen von belanglosen Erzählungen bis hin zu schockierenden Erlebnissen, die im Leben von Agnete stattgefunden haben.
Die Autorin Hilde Rød-Larsen spart nicht an Inhalten, mit denen die Protagonistin fertig werden muss – Machtmissbrauch, selbstverletzendes Verhalten, Essstörung, Depressionen und sexuelle Übergriffe.

Nicht nur geistig machen Agnete diese Themen zu schaffen, auch körperliche Probleme wie Haarausfall und Hauterkrankungen werden durch die seelische Belastung bemerkbar.

Der Schreibstil von Hilde Rød-Larsen ist klar und gleichzeitig wird deutlich, wie schwer es Agnete fällt über ihre Vergangenheit nachzudenken. Die einzelnen Kapitel wirken wie Tagebucheinträge. Agnetes Unsicherheit tritt mehrmals in den Vordergrund. Mir drängt sich beim Lesen sofort ein Gefühl von »nicht-wahr-haben-wollen« auf, welches Agnete rückblickend auf die Ereignisse verspürt – trotzdem stellt sich die Protagonistin ihren Wunden der Vergangenheit.

»Aber warum konnte ich das nicht einfach ohne Umschweife in mein Tagebuch schreiben, warum musste ich das, was ich erlebte und fühlte, mit diesem ziemlich halbherzigen Schleier der Fiktion verhüllen?« (S. 33/34).

Die Reflexion der eigenen Geschichte führt zu Selbstermächtigung, dies wird in den Erzählungen deutlich. Wunden können langsam heilen und Agnete beantwortet sich dadurch Stück für Stück die zentrale Frage, die dieses Buch aufwirft: »Wie geht es mir eigentlich?«

CN: Machtmissbrauch, selbstverletzendes Verhalten, Essstörung, Depressionen und sexuelle Übergriffe, #metoo.