Immer wieder Zweifel ...

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owenmeany Avatar

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Durch seinen alten Co-Ermittler Perry Gahalowood wird der Schriftsteller Marcus Goldman wieder in einen Mordfall gezogen. Der initiierende Paukenschlag von einem Verbrechen lässt einem wegen eines dramaturgisch geschickt eingefädelten Cliffhangers den Atem stocken. Wegen des eigentlichen Verbrechens hätte es das gar nicht gebraucht, aber so spielt Dicker halt grundsätzlich mit seinen Lesern.

Es ist wieder ein Buch wie eine XXL-Familienpackung Kartoffelchips von der Marke Extra Würzig: einmal geöffnet, hat man nicht eher Ruhe als bis man sie komplett leergeknabbert hat, egal ob man hinterher Bauchweh bekommt oder sich eigentlich lieber vollwertig ernähren möchte.

Die reinen Recherchen ordnet er streng chronologisch an und schiebt Rückblenden ein wie Parenthesen, um die Hintergründe klarzustellen. Das hat mir sehr geholfen, den Überblick zu behalten, denn er bleibt jederzeit beim Thema, auch wenn er quer durch die Zeit springt. Durch kleine, teils vergnügliche Episoden charakterisiert er die Personen, deren Zahl im Laufe der Handlung mehr und mehr zunimmt, sehr plastisch.

Strategisch passende Morde, Selbstmorde und Herzinfarkte schieben die Auflösung des Falls auf die lange Bank. Häufige Querverweise auf Vorgängerbände wie "Harry Quebert" und die "Baltimores" bilden ein weiteres Gespinst der Metaebene, und das Schriftstellern an sich beleuchtet er von Zeit zu Zeit, wobei er durchaus Selbstbeweihräucherungen nicht vermeidet.

Wie dieser Weiberheld Marcus alle paar Kapitel lang bei irgendeiner "Liebe seines Lebens" landen kann - um Monate danach aus verständlichen Gründen das Verhältnis wieder zu lösen, hat mich auf Dauer etwas genervt und meine Sympathie für den Protagonisten geschmälert.

Aber bei aller Kritik: Dicker hat es wirklich total drauf, Pageturner ohnegleichen zu produzieren, wenn ich ab Seite 350 auch eine gewisse Sättigung verspürte. Ab da überschlagen sich die Ereignisse zusehends, immer neue Leute kommen ins Spiel, und die Logik fährt Achterbahn.

Am Ende ist alles eingefädelt wie eine clevere Schachpartie. Ob das psychologisch durchweg stimmig ist, darüber kann man sich streiten, aber Freunde von Krimis so richtig zu Knobeln kommen hier echt auf ihre Kosten.