meisterhaft

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naseweis82 Avatar

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Ein anonymer Brief, ein vor 11 Jahren offenbar aufgeklärter Mord und die Ermittlungen, die angesichts neuer Erkenntnisse neu aufgerollt werden müssen: Das sind die Ausgangspunkte dieses Buches.

Eins vorweg: Bei Joël Dicker ist nichts einfach oder abgedroschen, nichts Schwarz oder Weiß. Diese Grauzonen sind zu seinem Markenzeichen geworden, denn er führt uns durch eine Geschichte ohne chronologische Linearität, mit Wendungen, die ziemlich überrumpeln können. Wobei er meistens die Technik des Erzählens in Rückblenden verwendet, um uns auf falsche Fährten zu führen. Mal glaubt man, man hätte seinen Plan durchschaut. Dann stellt man fasziniert fest, dass dem nicht so ist. Zwar hangelt man sich schon mal gemächlich von Strang zu Strang, aber Ausdauer sollte man ohnehin mitbringen, wenn es um solch tiefgreifende Plots geht.

Perry Gahalowood und Marcus Goldman, die sich zwei Jahre zuvor in „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ getroffen hatten, werden sich erneut begegnen, und ihre Ermittlungen werden die der Vergangenheit schmerzlich widerspiegeln. Hinzu kommen die Erinnerungen an die Baltimore Goldmans, die in Marcus' Gedanken nachhallen, und es ist schwer, den Unterschied zwischen richtig und falsch zu erkennen. Wir wissen nicht mehr, wer uns diese Geschichte erzählt, Dicker oder Goldman, als würde uns der Autor, Opfer einer gespaltenen Persönlichkeit, in das Labyrinth seiner dichotomen Realität führen.

Wie dem auch sei, das Ende ist wieder einmal nicht das, was wir erwartet hatten, denn der Autor hat ein böswilliges Vergnügen daran, uns bei mehreren Gelegenheiten glauben zu machen, dass die Ermittlungen abgeschlossen sind, bevor er uns beweist, dass dies nicht der Fall ist. Dass er sich geirrt hat, dass die Lösung nicht dort ist, wo wir sie erwartet haben.

Ein meisterhafter Roman, der wieder einmal Joël Dickers Talent und seine grenzenlose Vorstellungskraft bestätigt.