Krimi im Schatten des erstarkenden Nationalsozialismus

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takabayashi Avatar

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Dies ist der vierte Fall von Gereon Rath, den man aber problemlos lesen kann, ohne die ersten Bände zu kennen. Der aus dem Rheinland gebürtige Berliner Kriminalkommissar ist ein Querkopf und Einzelgänger. Im Endeffekt gibt ihm jedoch sein Erfolg Recht, was auch sein Vorgesetzter weiß und ihm deshalb vieles durchgehen lässt.

Rath übernimmt die Ermittlungen im Fall des auf höchst seltsame Weise ermordeten Spirituosenhändlers, der im Lastenaufzug des Hauses Vaterland - dem berühmten Berliner Vergnügungstempel am Potsdamer Platz - tot aufgefunden wurde. Als Hilfskraft wird ihm auch seine Verlobte Charly Ritter zugeordnet, die gerade ihren Dienst bei der Berliner Kripo aufgenommen hat und zu den ersten weiblichen Kriminalbeamten zählt.

Wir schreiben das Jahr 1932, die Nazis sind im Aufwind und die Weimarer Republik liegt in den letzten Zügen. Der Fall weist eine starke Verbindung nach Ostpreußen auf, wohin sich dann Gereon alleine aufmacht, während seine Kollegen die Ermittlungen in Berlin weiter vorantreiben.

Es gibt ein Geflecht mehrerer Fälle, die ineinandergreifen, und zahlreiche falsche Spuren. Besonders interessant sind die atmosphärischen Schilderungen der damaligen Zeit und das Berliner Lokalkolorit, bzw. auch die Darstellung der Spannungen, die es zwischen Ostpreußen und "richtigen" Preußen, Polen und Masuren gab. Der Kriminalfall und seine Aufklärung ist sehr komplex und langwierig, teilweise vielleicht ein Spur zu ausufernd beschrieben, aber doch nie so, dass die Spannung auf der Strecke bliebe.

Der Roman bietet sehr viel mehr als ein normaler Krimi und besticht durch die gut recherchierte zeitgeschichtliche Komponente. Einziges Haar in der Suppe ist die Sprache, die doch sehr neuzeitlich wirkt: z.B. scheint mir der Ausdruck "zeitnah" eine sehr moderne Wortschöpfung zu sein. Aber dass früher unverheiratete Frauen als "Fräulein" tituliert wurden, ist mir durch das Buch wieder ins Gedächtnis gerufen worden - eine (Un-)Sitte, die inzwischen wirklich vollkommen verschwunden ist.

Insgesamt eine lohnende und spannende Lektüre - nicht nur für Berliner!